Libyen:Die Quellen von Öl und Streit

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Frankreich und Italien geraten zunehmend aneinander - sie konkurrieren um politischen und wirtschaftlichen Einfluss in dem Bürgerkriegsland.

Von Oliver Meiler, Rom

In Libyen schweigen die Waffen, vorerst wenigstens. Wie fest die Feuerpause nach mehrtägigen Gefechten zwischen rivalisierenden Milizen rund um Tripolis tatsächlich ist, ist nicht so klar. Vermittelt hat sie der Gesandte der Vereinten Nationen in dem zerrissenen nordafrikanischen Land, der Libanese Ghassan Salamé, er ist Professor für Internationale Beziehungen. In diesem Fall sind eine ganze Menge internationaler Beziehungen in Einklang zu bringen, damit der Waffenstillstand hält - auch vermeintlich harmonische.

In Libyen liefern sich neben einer Reihe regionaler Akteure auch Italien und Frankreich einen ziemlich erbitterten Kampf um politischen und wirtschaftlichen Einfluss. In den vergangenen Tagen flogen wieder Klagen hin und her, wobei man sagen muss: Aus Rom kamen mehr davon. Die neue populistische Regierung warf dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron recht unumwunden vor, er sei für die neue Instabilität im ohnehin schon instabilen Libyen verantwortlich, er schüre die Konflikte zwischen Tripolis und Tobruk, den beiden antagonistischen Machtzentren. Das ist eine erstaunlich forsche Unterstellung, zumal unter europäischen Partnern. Der Waffenstillstand entschärft fürs Erste auch diesen verbalen Konflikt.

Verschwinden wird er aber so schnell nicht. Der Streit der beiden Länder dreht sich um die Frage, wer in Libyen die Rolle der Ordnungsmacht ausüben darf. Italien glaubt, sein Anspruch sei aus historischen und geografischen Gründen gegeben: Libyen liegt nur einige Hundert Seemeilen entfernt und war mal eine italienische Kolonie. Frankreich hält die römischen Ansprüche für überholt und profitiert gerade von der geopolitischen Schwäche der neuen Regierung. Auf dem Spiel stehen aber vor allem Interessen im libyschen Öl- und Gassektor. Der italienische Energiekonzern Eni hatte lange Zeit eine Monopolstellung inne, nun frisst ihm der französische Rivale Total immer mehr Marktanteile weg.

Die neuen Mächtigen in Rom stilisieren Emmanuel Macron zum "Staatsfeind Nummer 1"

Richtig virulent ist der Streit seit 2011. Im sogenannten Arabischen Frühling drängte Frankreich zu einem Regimewechsel und zum Sturz des Langzeitherrschers Muammar al-Gaddafi. Frankreichs damaliger Präsident Nicolas Sarkozy überredete die internationale Gemeinschaft zu einer hastigen Militärintervention. Italien machte nur widerwillig mit. Premier war damals Silvio Berlusconi, und der hatte sich, wie schon seine Amtsvorgänger, mit Gaddafi arrangiert. Er hatte ihn hofiert und alles Mögliche versprochen zur Wiedergutmachung für Vergehen aus der Kolonialzeit, auch den Bau von Krankenhäusern und Autobahnen. Gaddafi ließ im Gegenzug seine Küsten kontrollieren, damit nicht allzu viele Migranten aus Afrika in Libyen ablegten. Der Diktator sagte in diesem Zusammenhang einmal, es sei, als säße er an einem Wasserhahn, den er öffnen und schließen könne. Nach Belieben. Das Bild mit dem Hahn war sein Druckmittel.

Nach Gaddafis Tod orientierten sich Paris und Rom neu, und sie taten das - wenig überraschend - unterschiedlich. Die Franzosen setzten auf den starken Mann im Osten Libyens, General Khalifa Haftar, während die Italiener Fayez al-Serraj unterstützen, den international anerkannten Präsidenten der Einheitsregierung in Tripolis. Macron verfolgt so die alte Idee Sarkozys und macht den Italienern die Mittlerrolle streitig. Zweimal lud er Haftar und Serraj nach Paris ein, ohne die Italiener vorab zu informieren. Beim jüngsten Treffen einigten sich die libyschen Kontrahenten auf einen Wahltermin im Dezember. Für die Italiener war das ein Affront sondergleichen.

Schon die sozialdemokratische Vorgängerregierung ärgerte sich vernehmlich über das Vorpreschen Macrons. Die neuen Mächtigen in Rom aber, Matteo Salvini von der Lega und Luigi Di Maio von den Cinque Stelle, stilisieren den französischen Präsidenten mit täglichen Tiraden zum "Staatsfeind Nummer 1", wie die italienischen Zeitungen es nennen - auch jetzt wieder. Dabei sollten alle ein Interesse daran haben, dass Libyen nicht vollends im Chaos versinkt.

© SZ vom 06.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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