Krieg in Libyen:Berlin zeigt Flagge in Bengasi

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Die Luft um den libyschen Machthaber wird dünner. Sein Konsul im strategischen Nachbarland Ägypten kündigt ihm die Gefolgschaft auf. Deutschland eröffnet ein Verbindungsbüro im Gaddafi-freien Bengasi.

Die Machtbasis des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi schrumpft mit jedem Tag. Die Aufständischen berichten von Geländegewinnen rund um die westliche Stadt Misrata. Der libysche Konsul in Kairo, Faradsch al-Areibi, gab im Nachrichtensender Al-Arabija seinen Rücktritt bekannt.

Die Farben der Revolution: Ein junger Libyer in Bengasi. (Foto: dpa)

Der Diplomat erklärte, er unterstütze ab sofort die Aufständischen und ihren Nationalen Übergangsrat, der seinen Sitz in Bengasi hat. Deutschland werde dort in Kürze ein Verbindungsbüro einrichten, teilte das Auswärtige Amt mit.

Der italienische Außenminister Franco Frattini erklärte, er gehe davon aus, dass der Internationale Strafgerichtshof Ende des Monats einen Haftbefehl gegen den libyschen Machthaber Muammar al Gaddafi ausstellt. Die Entscheidung wäre ein Schlüsselmoment für die Krise in Libyen, sagte Frattini. Mit einem internationalen Haftbefehl wäre ein Exil Gaddafis nicht länger vorstellbar.

Die libyschen Rebellen haben derweil um Waffenlieferungen aus dem Ausland für den Kampf gegen Gaddafi gebeten. Die Kämpfer könnten größere Fortschritte erzielen, wenn sie besser bewaffnet wären, sagte Rebellenvertreter Mustafa Abdel Dschalil nach einem Gespräch mit dem britischen Premierminister David Cameron in London. Man benötige leichte Waffen, die denen der Regierungstruppen zwar nicht ebenbürtig seien. "Aber vielleicht gibt es mit dem Mut der Libyer ein Gleichgewicht", sagte Abdel Dschalil.

Nach seinen Worten hat die britische Regierung angeboten, die Opposition mit Ausrüstungsgegenständen wie Nachtsichtgeräten und Panzerwesten auszustatten. Camerons Sprecher sagte, es gebe noch keine Entscheidung über die Lieferung von Waffen.

Das libysche Staatsfernsehen strahlte in der Nacht zum Donnerstag Bilder von einem Treffen Gaddafis mit Stammesführern in Tripolis aus. Es blieb jedoch unklar, wann und wo dieses Treffen stattgefunden haben soll. Auch die staatliche Nachrichtenagentur Jana erwähnte den Ort in einer Meldung über das Treffen nicht. Zuletzt waren angeblich aktuelle Bilder von Gaddafis Aktivitäten im staatlichen Fernsehen vor knapp zwei Wochen gezeigt worden.

Der Übergangsrat kündigte für Freitag Demonstrationen in mehreren Stadtvierteln der Hauptstadt Tripolis an. Augenzeugen berichteten, die Regimegegner würden in Tripolis immer mutiger. Auf etlichen Gebäuden sei inzwischen Anti-Gaddafi-Graffiti zu sehen. Gerüchte über eine Spaltung der Armee machten die Runde. Angeblich sollen Soldaten der Mitiga-Brigade, die zum Teil mit Gaddafi und zum Teil mit den Aufständischen sympathisieren, aufeinander geschossen haben.

Die Agentur Jana meldete in der Nacht, bei einem Nato-Luftangriff in Tripolis sei das Gebäude der Botschaft Nordkoreas beschädigt worden. Ein Augenzeuge berichtete, der Angriff habe offensichtlich einer benachbarten Einrichtung gegolten. In dem Botschaftsgebäude seien lediglich einige Scheiben zu Bruch gegangen.

Ein Kämpfer der Aufständischen in Misrata sagte Al-Arabija, ihre Verbände hätten die Regierungstruppen vom Flughafen der Stadt vertrieben. Ihr nächstes Ziel sei die Küstenstadt Slitan, 160 Kilometer östlich von Tripolis, hieß es. Nicht bestätigt wurden Berichte der Rebellen, wonach 45 Soldaten in der Stadt Nalut nahe der tunesischen Grenze desertiert sein sollen. Angeblich stellten sie sich der tunesischen Armee.

In den vergangenen Tagen waren nach Angaben aus Tunis bereits mehrfach Soldaten, die sich von der Truppe abgesetzt hatten, über die Grenze gekommen.

Das Verbindungsbüro der US-Regierung in Bengasi berichtete, am Dienstag sei die erste Lieferung der Amerikaner für die Truppen des Übergangsrates in Bengasi eingetroffen. Es handele sich um Zelte, Stiefel, Uniformen, medizinische Güter, Verpflegungspakete und militärische Schutzkleidung.

Auch Deutschland wird in Kürze ein Verbindungsbüro in der Metropole der Gaddafi-Gegner einrichten. Ziel sei es, einen ständigen Kontakt mit dem Übergangsrat in Bengasi aufzubauen und die Unterstützung für die Bevölkerung in Ost-Libyen zu begleiten, teilte das Auswärtige Amt am Donnerstag in Berlin mit. Die Leitung des Büros soll ein erfahrener Diplomat übernehmen.

Bereits in den nächsten Tagen sollen die praktischen Fragen für die Eröffnung vor Ort geklärt werden. Deutschland hat bisher sieben Millionen Euro an humanitärer Hilfe für Libyen zur Verfügung gestellt. Schon am Vortag hatte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton die baldige Eröffnung einer Vertretung in Bengasi angekündigt. Damit will die EU den nationalen Übergangsrat der Rebellen unterstützen.

In der ostlibyschen Rebellenhochburg Bengasi soll unterdessen ein Franzose bei einer Polizeikontrolle erschossen worden sein. Vier weitere Franzosen seien bei der Kontrolle festgenommen worden, teilte das französische Außenministerium mit. Nähere Details wurden zunächst nicht bekannt. Aus Kreisen der Rebellen hieß es, bei dem Opfer handele es sich um einen Auftragnehmer der Streitkräfte.

© dpa/Reuters/AP/segi/afis - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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