Letztes TV-Duell im US-Wahlkampf:3:0 für Obama

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Grimassen gegen Charisma: Auch aus der letzten von drei TV-Debatten geht Barack Obama als Sieger gegen John McCain hervor. Eins ist nun sicher: Die verbleibenden Wochen bis zum Wahlgang bleiben schmutzig. Äußerst schmutzig.

Moritz Koch, New York

Ein gewisser Joe sollte an diesem Abend zum Helden werden. Nicht Joe Biden, der Kandidat der Demokraten für das Amt des Vizepräsidenten. Auch nicht Joe Sixpack, die bierseelige Phantasiefigur, mit der die republikanische Vizekandidatin Sarah Palin ihr Parteivolk entzückt. Sondern Joe Wurzelbacher, ein Klempner aus Ohio.

Obama und sein Konkurrent McCain (Foto: Foto: AFP)

Wurzelbacher fürchtet sich vor den Steuerplänen von Barack Obama und hat den demokratischen Präsidentschaftskandidaten kürzlich vor laufenden Kameras zur Rede gestellt. Ein Geschenk für John McCain.

Keine fünf Minuten waren in der TV-Debatte der beiden Kontrahenten vergangen, da nutzte der Republikaner Joes Sorgen, um Obama als Klassenkämpfer zu porträtieren. "Joe soll Obama Geld geben, damit der es verteilen kann", lästerte McCain. "Lassen wir Joe doch sein Geld behalten."

Überhaupt hatte sich der 72-jährige Senator eine Menge neuer Pointen einfallen lassen und so wurde das dritte und letzte Fernsehduell zum spannendsten. Obama spulte zunächst nur seine angestaubte Lieblingsbotschaft herunter: McCain bedeute vier weitere Jahre George W. Bush.

Der Republikaner gab schlagfertig zurück: "Senator Obama, darf ich Ihnen versichern, ich bin nicht Bush. Wenn Sie gegen Bush Wahlkampf machen wollen, hätten Sie vor vier Jahren antreten sollen. Ich werde dem Land eine neue Richtung geben."

Vor der Debatte an der Hofstra University in Hempstead, New York, hatte McCain geprahlt: "Ich werde meinem Gegner den Hintern versohlen". Anfangs sah es tatsächlich so aus, als könne er seine Ankündigung wahr machen. Doch je länger das Duell dauerte, desto besser wurde Obama. McCain verschoss seine Munition zu schnell und seine alten Schwächen kamen bald wieder zum Vorschein.

Während Obama selbst in der Defensive Ruhe bewahrte, schnitt McCain Grimassen, sobald sein Kontrahent sprach. Fast wütend wirkte er zeitweise und verstärkte so das Bild, das sich viele Wähler während der ersten beiden Debatten von ihm gemacht haben: McCain ist ein Griesgram.

Auch mit dem Versuch, Obamas angebliche Freundschaft zu dem früheren Bombenleger Bill Ayers zum Thema zu machen, konnte McCain nicht punkten. Vielmehr gab er Obama damit die Gelegenheit, die Republikaner dafür zu kritisieren, Ayers und nicht die Wirtschaftskrise zum Kernstück ihres Wahlkampfs gemacht zu haben.

Selbst McCains Kronzeuge Joe Wurzelbacher spannte Obama für seine eigenen Zwecke ein. Wenn Joe seinen Angestellten eine Gesundheitsversicherung gewähre, müsse er unter demokratischer Regentschaft keine Steuererhöhungen fürchten, sondern könne Kosten sparen, versicherte Obama.

Die Umfragen nach der Debatte ließen keinen Zweifel aufkommen, wer das Duell gewonnen hatte. 58 Prozent der Fernsehzuschauer fanden Obama besser, nur 31 Prozent McCain. Nach drei Debatten steht es damit 3:0 für den Demokraten.

Wie soll McCain diese Wahlen nun noch gewinnen?

Im zweiten Teil lesen Sie, wie die republikanische Basis bröckelt - und sich auch Intellektuelle entsetzt von McCain und Palin abwenden .

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Es wird spannend, ob die Republikaner doch noch versuchen, Obama mit seinem langjährigen Pastor Jeremiah Wright zu diskreditieren. Im Vorwahlkampf gegen Hillary Clinton hatten die antiamerikanischen Ausfälle des schwarzen Predigers Obama fast die Nominierung gekostet.

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McCain hat bisher ausgeschlossen, Wright zum Thema zu machen, vor allem um dem Land eine politisch aufgeladene Rassendebatte zu ersparen. In Anbetracht der drohenden Niederlage dürften McCains Wahlkampfstrategen allerdings versuchen, ihren Kandidaten umzustimmen. Obama hat in landesweiten Umfragen einen zweistelligen Vorsprung und liegt inzwischen in allen Battleground States vorn.

Und die schlechten Nachrichten für die Republikaner sind damit noch nicht zu Ende: In den zweieinhalb Wochen bis zur Wahl werden sie sich nur auf ihre Basis verlassen können. Der Überbau der Rechten bröckelt, immer mehr Intellektuelle springen ab.

Da ist zum Beispiel David Brooks, konservativer Kolumnist der New York Times. Seit Wochen beklagt er die geistige Verwahrlosung der Republikaner, die Bildungsferne zu Bürgernähe stilisierten. Sarah Palin, die junge Governeurin von Alaska, die die Partei zur Vizepräsidentin machen will, nennt er "das Krebsgeschwür" der Partei und McCains Kandidatur "eine der schmerzhaftesten Tragödien", die er je mitangesehen habe.

"Gemein und haltlos"

Zu den konservativen Kritikern zählen auch Christopher Buckley und Kathleen Parker, zwei Autoren des National Review. Dieses Magazin versucht normalerweise, Obama linksextremistische Umtriebe nachzuweisen und warnt, der junge Senator aus Illinois "hat sich der Infiltration (und der Ausbildung anderer zur Infiltration) bürgerlicher Institutionen verschrieben, um sie von innen zu verändern".

Buckley, Sohn des konservativen Vordenkers William F. Buckley und Redenschreiber für George Bush Senior, schlägt - vorsichtshalber in einem Blog - jedoch ganz neue Töne an: Obama "ist, das scheint nun klar zu sein, was der historische Moment erfordert". McCains Negativkampagne verdammt er als "gemein und haltlos".

Sogar prominente Parteifreunde suchen ihr Heil in der Flucht

Bloß ein verspäteter Emanzipationsversuch eines ewigen Sohns? So leicht können es sich die Republikaner nicht machen. Ein paar Tage zuvor hatte die stramm konservative Kathleen Parker, Sarah Palin als Peinlichkeit bezeichnet.

Und Francis Fukuyama, dessen Schriften als ideologisches Fundament für die neokonservative Außenpolitik der Regierung Bush dienten, bekennt sich schon seit Wochen zu Obama.

Selbst einige prominente republikanische Politiker suchen ihr Heil in der Flucht vor McCain: Senator Gordon Smith aus Oregon etwa profiliert sich als politischer Freund Obamas, um seine Chancen bei den ebenfalls bevorstehenden Kongresswahlen zu erhöhen. Für seinen Parteifreund hat Smith nur Lippenbekenntnisse übrig.

Einige Kommentatoren glauben inzwischen, dass McCain das gleiche Schicksal wie Barry Goldwater ereilen könnte. Auch Goldwater war ein republikanischer Senator aus Arizona und auch er kandidierte für die Präsidentschaft. Doch Goldwater handelte sich 1964 eine verheerende Niederlage gegen den Demokraten Lyndon B. Johnson ein. Die moderne konservative Bewegung der USA erhob sich aus der Asche dieser Niederlage. Am 4. November könnte sie in eben jene Asche zurückfallen.

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