Lateinamerika:Üble Wahl

Die Regierungen der besonders von Corona abetroffenen Länder müssen sich zwischen Pest und Cholera entscheiden.

Von Christoph Gurk

Brasilien wird dieses Wochenende eine beklemmende Marke überschreiten: eine Million mit dem neuen Coronavirus Infizierte. Wann dies ganz genau geschieht, ist nicht klar. Denn erst hat die Regierung die Bekanntgabe der Fallzahlen verzögert, dann die Ergebnisse korrigiert, nun gibt es in dem Land gleich mehrere Statistiken - und das sind nur die offiziellen Zahlen.

Aller Nummernschieberei zum Trotz hat kein Land in Lateinamerika mehr Infizierte als Brasilien. Mitschuld daran trägt die Politik: Präsident Jair Bolsonaro hat das Virus lange als Grippchen verharmlost, und längst dürfen selbst in Brennpunkten der Pandemie Einkaufszentren wieder öffnen. Doch geht es Brasiliens Nachbarn kaum besser: In Peru und Argentinien explodieren die Fallzahlen. Ähnlich sieht es in Chile oder Mexiko aus.

Während in den USA die neue Normalität einkehrt und in Europa Ferienanlagen wieder öffnen, wütet das Virus in Lateinamerika unvermindert. Was dort als Segen galt, wird nun zum Fluch: Der Erreger hat die Region erst getroffen, als in Europa schon Tausende starben. Viele lateinamerikanische Länder konnten so früh Lockdowns einleiten. Doch nun müssen sich die Regierungen entscheiden: Maßnahmen verschärfen, angesichts von Tausenden Neuinfektionen - oder schnelle Öffnung, weil die Menschen Hunger leiden? In Brasilien weiß man nicht, wohin mit den Corona-Toten. In Guatemala, Peru oder Argentinien fragt man sich, wie man die Notleidenden ernähren soll. Pest oder Cholera in Zeiten von Covid-19.

© SZ vom 20.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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