Landtagswahl:Wüst sieht "klaren Regierungsauftrag"

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Hendrik Wüst ließ sich von seinen Anhängern bei der Wahlparty der CDU in Düsseldorf feiern. (Foto: LEON KUEGELER/REUTERS)

Bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen ist die CDU stärkste Partei geworden, aber die bisherige Koalition mit der FDP kann nicht fortgesetzt werden. Den Grünen kommt nach starken Zugewinnen die Rolle als Königsmacher zu.

Von Jan Bielicki, München

Nordrhein-Westfalen steht vor einem Regierungswechsel. Zwar konnte die CDU von Ministerpräsident Hendrik Wüst bei der Landtagswahl am Sonntag laut Hochrechnungen Stimmanteile hinzugewinnen und ihre Stellung als stärkste Partei im Land deutlich ausbauen. Doch das schwarz-gelbe Bündnis, das seit 2017 das bevölkerungsreichste deutsche Bundesland regierte, hat seine knappe Mehrheit im Düsseldorfer Landtag verloren. Denn Wüsts Koalitionspartner FDP büßte deutlich an Stimmen ein.

Da die SPD von Herausforderer Thomas Kutschaty das schlechteste Landtagswahlergebnis ihrer NRW-Geschichte einfuhr, gibt es vor allem einen großen Wahlsieger: Die Grünen konnten ihr Ergebnis von vor fünf Jahren nahezu verdreifachen. Das bedeutet, dass ohne sie wohl keine neue Regierung zustande kommen wird.

Historisches Ergebnis für Grünen

Nach einer Hochrechnung der Forschungsgruppe Wahlen erreicht die CDU 35,9 Prozent und liegt damit 2,9 Prozentpunkte über ihrem Ergebnis von 2017. Die SPD folgt demnach mit 26,6 Prozent und klarem Abstand dahinter und unterschreitet deutlich die bereits damals für sie enttäuschenden 31,2 Prozent, die sie vor fünf Jahren bekommen hatte. Die Grünen hingegen mit ihrer Spitzenkandidatin Mona Neubaur schießen hoch auf 18,0 Prozent - es ist ihr historisch bei weitem bestes Landtagswahlergebnis in NRW. 2017 waren es für sie nur 6,4 Prozent gewesen.

Gerade einmal etwa 5,8 Prozent der Wähler stimmen laut Hochrechnung für die FDP des stellvertretenden Ministerpräsidenten Joachim Stamp. Damit überspringen die Liberalen, die 2017 mit 12,6 Prozent noch das beste NRW-Landeswahlergebnis ihrer Geschichte erzielt hatten, die Fünf-Prozent-Hürde nur knapp. Auch die AfD, die vor fünf Jahren erstmals in den Landtag am Düsseldorfer Rheinufer eingezogen ist, wird mit 5,5 Prozent trotz eines Stimmenverlusts von 1,8 Prozentpunkten auch in der kommenden Legislaturperiode dort vertreten sein. Allerdings hat die Partei in ihren Hochburgen im Ruhrgebiet deutlich verloren. Die Linke dagegen wird mit nur 2,0 Prozent weiter vor den Toren des Landtags bleiben.

Was diese Zahlen für die Bildung einer künftigen Regierungskoalition bedeuten, war am Wahlabend noch unklar. Ministerpräsident Wüst betonte mehrfach seinen Anspruch, weiter regieren zu wollen: "Die Menschen haben uns ganz klar zur stärksten Kraft gemacht. Das ist der Auftrag, eine künftige Regierung zu bilden und zu führen", sagte er.

Koalitionsspiele in Düsseldorf

Laut Hochrechnungen hat er dazu auch die nötige Mehrheit, wenn es ihm gelingt, entweder eine Koalition mit der SPD oder, was als deutlich wahrscheinlicher gilt, mit den Grünen zu vereinbaren. Mit welchem Partner er seinen "klaren Regierungsauftrag" erfüllen will, ließ Wüst am Wahlabend offen: "Ich werde mit allen Demokraten sprechen und heute Abend keine Festlegung treffen." Der stellvertretende CDU-Chef Jens Spahn verwies auch auf die Option einer Koalition mit der SPD.

Aber die entscheidende Rolle bei der anstehenden Frage, wer Nordrhein-Westfalen künftig als Ministerpräsident regieren wird, spielen nun die Grünen. "Was für ein Ergebnis, was für ein Vertrauensvorschuss", sagte ihre Spitzenkandidatin Neubaur. In einer neuen Landesregierung werde es diesmal "eine starke grüne Handschrift geben". Die Grünen waren diesmal, anders als vor fünf Jahren, ohne Koalitionsaussage in den Wahlkampf gezogen. Neubaur hatte vor der Wahl keine Präferenz erkennen lassen, lediglich erklärt, sie bevorzuge "ein Zweierbündnis". Die 44-Jährige gilt sowohl im Falle einer schwarz-grünen wie auch in einer Ampelkoalition als gesetzt für den Posten der stellvertretenden Ministerpräsidentin.

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert erklärte am frühen Wahlabend, dass die Sozialdemokraten auch als Zweitplatzierte versuchen werden, eine Regierung zu bilden. "Selbstverständlich muss man das gerade tun", sagte er in der ARD. Denn die bisherige schwarz-gelbe Regierung sei abgewählt. "Wir möchten gerne mit dabei sein, wenn eine fortschrittliche Regierung gebildet werden kann", sagte auch Spitzenkandidat Thomas Kutschaty. Tatsächlich könnte er nach Berliner Vorbild gestützt auf eine Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP, ins Ministerpräsidenten-Büro im Düsseldorfer Landeshaus einziehen. Jedoch hätte er dafür eben nicht, anders als sein Parteifreund Olaf Scholz nach der Bundestagswahl, einen Wahlsieg und die stärkste Partei im Rücken.

FDP rechnet mit Schwarz-Grün

Der FDP-Spitzenkandidat Joachim Stamp deutete allerdings einen Verzicht seiner Partei auf eine Regierungsbeteiligung an. Es gebe mit CDU und Grünen zwei klare Wahlgewinner, "und ich gehe davon aus, dass die beiden miteinander koalieren werden", sagte er. Bundesparteichef Christian Lindner bezeichnete das Abschneiden der FDP als "desaströse Niederlage".

Sowohl Schwarz-Grün als auch eine rot-gelb-grüne Ampel wären ein Novum in der Landespolitik. Bisher hatten die Grünen, wenn sie in diesem Bundesland mit an der Macht waren, immer zusammen mit der SPD regiert. In der jüngeren Landesgeschichte wurden solche rot-grüne Bündnisse stets von schwarz-gelben Koalitionen abgelöst, zuletzt 2017.

Besondere Bedeutung für die Bundespolitik in Berlin kommt der NRW-Wahl schon durch die Größe des Landes zu. Zur Wahl der laut Landeswahlgesetz mindestens 181 Landtagsabgeordneten waren etwa 13,2 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen. Das sind mehr als ein Fünftel aller deutschen Stimmbürger. Die Wahlbeteiligung lag mit 56,0 Prozent weit unter der von 2017 mit 65,2 Prozent.

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