Klimaschutzstiftung:Experten: Bau von Ostseepipeline Nord Stream 2 war unnötig

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Ein Nord Stream 2-Logo ist auf einer verspiegelten Glasfront des Schweizer Hauptsitzes des Unternehmens zu sehen. (Foto: Philipp Schmidli/KEYSTONE/dpa/Archivbild)

Im Untersuchungsausschuss zur umstrittenen Klimaschutzstiftung haben die öffentlichen Anhörungen begonnen. Zwei Sachverständige mit unterschiedlichen Positionen machten den Anfang. In einem Punkt waren sie überraschenderweise einig: Nord Stream 2 wurde nicht benötigt.

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Schwerin (dpa) - Die umstrittene Ostseepipeline Nord Stream 2 ist Wissenschaftlern zufolge auch nach dem Wissensstand vor Baubeginn für die europäische und deutsche Gasversorgungssicherheit nicht notwendig gewesen. Neben dem Wirtschaftswissenschaftler Christian von Hirschhausen, der bereits 2018 vor dem Projekt warnte, sagte am Freitag auch der Direktor der Prognos AG, Jens Hobohm, dass aus seiner Sicht der Bau nicht nötig war. Prognos hatte 2017 im Vorfeld des Pipelineprojektes unter seiner Leitung eine Studie im Auftrag der Nord Stream 2 AG angefertigt, die zum Ergebnis kam, dass der Gasimportbedarf Europas steigen werde.

Hobohm und von Hirschhausen äußerten sich in der ersten Anhörung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Klimaschutz-Stiftung des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Die Stiftung war nach einem Landtagsbeschluss vom Januar 2021 gegründet worden, unter ihrem Mantel sollte der Fertigbau der Gasleitung ermöglicht werden, nachdem die USA beteiligten Firmen mit Sanktionen gedroht hatten.

Nord Stream 2 wurde fertig, bekam aber infolge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine keine Betriebserlaubnis von der Bundesrepublik Deutschland. Sprengstoff-Explosionen beschädigten die Leitungen Nord Stream 1 und Nord Stream 2 im September 2022 vor Bornholm schwer. Die Hintergründe sind bislang ungeklärt.

Der von Prognos 2017 vorhergesagte steigende Gas-Importbedarf - unter anderem weil die Niederlande ihre Förderung reduzierten - könne aus LNG und aus Russland befriedigt werden, hatte das Beratungsunternehmen damals erklärt. Hobohm betonte am Freitag in Schwerin, dass Nord Stream als Auftraggeber damals nicht die Frage gestellt habe, ob die geplante zweite Leitung durch die Ostsee für die Versorgungssicherheit benötigt werde. Auch sei nicht die Frage gestellt worden, was der Bau geopolitisch bedeute. Deshalb sei man darauf nicht eingegangen.

Hirschhausen zufolge war schon Mitte der 2010er Jahre klar, dass Nord Stream 2 ein geopolitisches Projekt Russlands zur Umgehung der Ukraine sein würde. Russland hatte 2014 die zur Ukraine gehörende Krim annektiert und war daraufhin mit Sanktionen belegt worden.

Hobohm erklärte, dass der Transit durch die Ukraine in den Untersuchungen, auf die sich Prognos in seiner Studie für Nord Stream stützte, als Unsicherheitsfaktor angesehen worden sei. In der Tat gab es nach dem Jahr 2000 Probleme bei der Durchleitung von Erdgas durch die Ukraine. Hintergrund war ein Gasstreit zwischen Russland und dem Land.

Die Landtagsfraktionen reagierten unterschiedlich. Während die Oppositionsfraktionen CDU, Grüne und AfD Zweifel an der Sinnhaftigkeit von Nord Stream 2 bestätigt sahen, beharrte der SPD-Abgeordnete Thomas Krüger: „Nord Stream 2 war aus Sicht von 2015 sinnvoll.“ Eine Alternative seien massive LNG-Importe gewesen, die nach seinen Worten für die Verbraucher teurer und umweltschädlicher gewesen wären.

Der FDP-Obmann René Domke warf der Landesregierung vor, zugelassen zu haben, dass Russland seine Geopolitik in der EU habe durchsetzen können. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Sebastian Ehlers fragte, warum im Gegensatz zum Bund die SPD-geführte Landesregierung noch bis kurz vor Beginn des Ukraine-Krieges an dem Projekt festgehalten habe. Die AfD sprach von Nord Stream 2 als einem Prestigeobjekt von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD).

Der Grünen-Abgeordnete Hannes Damm betonte, vor allem für Russland sei die Realisierung dieses geopolitischen Projekts von größtem Interesse gewesen. Widerlegt worden sei die Behauptung, dass die Fertigstellung von Nord Stream 2 durch die Klimastiftung MV ein Beitrag zum Klimaschutz gewesen sei.

© dpa-infocom, dpa:230113-99-207773/4

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