Landtag:Keine Mehrheit für Verfassungsreform in Sachsen

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Stillstand in Sachsen: Wenige Monate vor der Landtagswahl im Freistaat erstarrt das Bündnis aus CDU, Grünen und SPD. Nun fragen sich Beobachter, was die selbst ernannte Sachsen-Koalition bis zum 1. September überhaupt noch auf die Reihe bringen kann. Die Grünen sprechen von einem „Fiasko“.

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Dresden (dpa/sn) - Eine von der Regierungskoalition geplante Reform der Sächsischen Verfassung ist gescheitert. Trotz intensiver Verhandlungen darüber mit den Koalitionspartnern ist die dafür nötige Zwei-Drittel-Mehrheit mit der Linksfraktion im Parlament nicht mehr zu erreichen, wie die Fraktionen nach der Sitzung des Koalitionsausschusses am Dienstag in Dresden mitteilten. Gründe seien der Austritt eines Mitglieds sowie die Ablehnung des Vorhabens der Koalition durch vier Abgeordnete, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Sören Voigt. Diese Gewissensentscheidungen würden respektiert.

Die Koalitionsfraktionen hatten den Gesetzentwurf zur Änderung der Verfassung im Dezember 2023 in den Landtag eingebracht. Danach sollten die Hürden der Volksgesetzgebung sinken, die nötigen Unterschriften für Volksanträge und Volksbegehren in etwa halbiert werden - auf rund 20.000 beziehungsweise 200.000. Als Neuerung vorgesehen war die sogenannte Volksklage. Ferner sollte der Klimaschutz als Staatsziel verankert werden, weitere Punkte betrafen die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau und den Schutz behinderter Menschen vor Diskriminierung.

„Der heutige Tag ist eine empfindliche Niederlage für Ministerpräsident Michael Kretschmer. Eines seiner zentralen Wahlversprechen, die Quoren für die Volksgesetzgebung abzusenken und einen Volkseinwand einzuführen, wird durch einige Abweichler in den eigenen Reihen gebrochen. Dies ist aber vor allem ein schlechter Tag für den Freistaat Sachsen“, kommentierte Valentin Lippmann, Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen im Landtag. Eine Modernisierung der Verfassung sei längst überfällig.

„Nach Jahren der intensiven Verhandlungen haben wir einen für alle Fraktionen tragfähigen Kompromiss erzielt, der im Wesentlichen den klaren Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag entspricht. Diesen haben wir im Dezember letzten Jahres in den Landtag eingebracht. Nun müssen wir leider konstatieren, dass die CDU nicht mehr in der Lage ist, die getroffenen Vereinbarungen sicherzustellen“, so Lippmann. Nach diesem „Fiasko“ sei die CDU-Fraktion in der Pflicht, gegenüber dem Land und den Koalitionspartnern deutlich zu machen, dass sie noch vertragstreu hinter den Vereinbarungen dieser Koalition stehe.

Die SPD nahm die Union gleichfalls in die Pflicht: „Die Koalition wollte mehr Beteiligung, mehr direkte Demokratie. Das ist nun an der CDU gescheitert. Dass die CDU ihre eigenen Wahlversprechen bricht, ist ihr Problem, das Signal an die engagierten Bürgerinnen und Bürger in Sachsen ist jedoch fatal“, betonte Parteichef Henning Homann. Die CDU-Führung sei entweder nicht willens oder nicht in der Lage gewesen, für die notwendige Mehrheit in den eigenen Reihen zu sorgen. „Egal, ob es um bessere Löhne durch ein modernes Vergabegesetz, um mehr Zukunftsinvestitionen durch eine Reform der Schuldenbremse oder wie hier um mehr Bürgerbeteiligung geht: Auf die CDU ist kein Verlass mehr.“

Linke-Fraktionschef Rico Gebhardt attestierte der CDU-Spitze, „ihren Laden nicht im Griff“ zu haben. „Wer will mit einer Partei regieren, die auf jeden Koalitionsvertrag pfeift? Die geplanten Verfassungsänderungen hätten nicht ausgereicht, aber sie wären ein erster Schritt nach vorn gewesen.“ Unter dem Strich habe die Koalition die Chance vertan, die seit 1992 kaum veränderte Landesverfassung zu modernisieren. Die Gefahr sei groß, dass „die Verfassungsfeinde im Parlament auf absehbare Zeit jede Änderung verhindern können“. Doch der CDU seien eigene Parteiinteressen wichtiger als eine gute Zukunft für Sachsen.

Der Verein „Mehr Demokratie“ sprach von einem verheerenden Signal. „Die Reform wurde versprochen, lange verhandelt und nun vergeigt. Das ist ein Armutszeugnis für das Parlament, das nicht in der Lage ist, sich auf eine Stärkung der Bürgerrechte zu verständigen“, erklärte Ralf-Uwe Beck, Sprecher des Bundesvorstands von Mehr Demokratie e.V.

© dpa-infocom, dpa:240326-99-472476/3

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