Eine Wahl ohne Gegenkandidat, aber mit Gegenstimmen: Jan Stöß führt weiterhin die Berliner SPD. Der 40-Jährige wurde am Samstag auf einem Landesparteitag mit 68,7 Prozent der Stimmen als SPD-Vorsitzender bestätigt. Für den Verwaltungsrichter stimmten 158 Delegierte, gegen ihn 55 (23,9 Prozent). Bei der Wahl enthielten sich 17 Delegierte (7,4 Prozent).
Stöß hatte 2012 den Parteivorsitz von Michael Müller übernommen. Der gebürtige Niedersachse ist in der Partei nicht unumstritten: Das Wahlergebnis vom Samstag spiegelt den wochenlangen Machtkampf zwischen ihm und Raed Saleh, dem Fraktionsvorsitzenden im Abgeordnetenhaus, wider. Saleh hatte vor wenigen Wochen die Nachfolge von Klaus Wowereit, Berlins Regierendem Bürgermeister, für sich reklamiert. Beide Politiker zählen zum linken Flügel, doch Saleh gilt als Favorit Wowereits und hat mit der Fraktion eine starke Hausmacht.
Im Konflikt mit Stöß gab Saleh schließlich nach, setzte dem Konkurrenten aber ein Ultimatum: In den kommenden zwei Jahren bis zur nächsten Wahl zum Abgeordnetenhaus in der Hauptstadt müsse sich viel ändern, forderte er und verzichtete auf eine Kampfkandidatur beim Parteitag.
Wowereits Nachfolge weiterhin ungeklärt
Ein Drittel der Delegierten aus dem Saleh-Lager verweigerte Stöß die Unterstützung. Wowereit ergriff zu dem Machtkampf wie schon zuvor nicht das Wort. Seine Nachfolge bleibt damit ungeklärt. Und die SPD bei der Personalfrage gespalten.
Als Stellvertreter von Stöß wurden Arbeitsstaatssekretärin Barbara Loth, der Bundestagsabgeordnete Fritz Felgentreu und die Abgeordnete Iris Spranger in ihren Ämtern bestätigt. Neu als Vize wurde Bildungsstaatssekretär Mark Rackles gewählt.
Der neue und alte Landesparteichef Stöß appellierte an seine Partei, für einen Wahlsieg der SPD bei der Abgeordnetenhauswahl 2016 zu kämpfen. Unmittelbar nach dem Parteitag werde die SPD mit der Erarbeitung eines Wahlprogramms beginnen. "Unsere Mitglieder sollen mitbestimmen, mit welchen Kernaussagen wir 2016 in den Wahlkampf ziehen", sagte er. Derzeit rangiert die SPD in Umfragen allerdings bei 23 bis 24 Prozent deutlich hinter dem Koalitionspartner CDU mit 28 bis 30 Prozent.
Auch bei der Europawahl am 25. Mai muss die SPD wieder mit einem schlechten Ergebnis rechnen. 2009 erreichte sie nur gut 20 Prozent und landete hinter CDU und Grünen auf dem dritten Platz.
Auf dem Parteitag warnte Spaniens früherer Ministerpräsident Felipe González vor einem wachsenden Nationalismus. Auch die Berliner SPD-Kandidatin für das EU-Parlament, Sylvia-Yvonne Kaufmann, mahnte: Europagegnern müsse die Rote Karte gezeigt werden.