Lageso:Umstrittene Kooperation

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Ein Auftrag der Berliner Senatskanzlei beschäftigt die Justiz: Es geht um den Verdacht der Vorteilsgewährung bei der Vergabe eines Auftrags an das Unternehmen McKinsey. Gegen den Chef der Kanzlei, Björn Böhning (SPD), wurden Ermittlungen eingeleitet.

Von Jens Schneider, Berlin

Nach monatelangen Prüfungen hat die Berliner Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen den Chef der Senatskanzlei Björn Böhning (SPD) eingeleitet. Geprüft werden soll der Verdacht einer Vorteilsgewährung bei der Vergabe eines Auftrags an das Beratungsunternehmen McKinsey im Jahr 2015. Damals hatte die Senatsspitze angesichts der massiven Probleme bei der Betreuung von Flüchtlingen rund um das Landesamt Lageso Unterstützung gesucht. Berlins Verwaltung zeigte sich über Monate überfordert bei der Erfassung und Unterbringung von Flüchtlingen, das Beratungsunternehmen half der Verwaltung bei der Neuorganisation der Abläufe. Im April 2016 wurde gegen den Senatskanzleichef wegen der Umstände der Auftragsvergabe Anzeige erstattet. Auch gegen das Beratungsunternehmen wird jetzt ermittelt.

McKinsey hatte den Senat damals zunächst ohne Bezahlung unterstützt. Zuvor hatte ein ehemaliger Staatssekretär und Sozialdemokrat ein Gutachten für die Senatskanzlei angefertigt, in dem Vorschläge für das weitere Vorgehen in der Flüchtlingskrise entwickelt wurden. Er kam dabei zu dem Schluss, dass für diese Arbeit die Unterstützung durch ein Beratungsunternehmen sinnvoll sei. Die Senatskanzlei nahm zunächst das Angebot von McKinsey an, die Verwaltung "pro bono", also ohne Bezahlung, zu beraten. Einige Zeit darauf bekam McKinsey den Auftrag, für die Erstellung eines Masterplans zur Integration der Flüchtlinge mit dem Berliner Senat zusammenzuarbeiten, er soll mit mehr als 200 000 Euro dotiert gewesen sein. McKinsey engagierte im Rahmen des Auftrags offenbar auch den einstigen Staatssekretär.

Nun will die Staatsanwaltschaft offenbar ermitteln, ob die Vorgänge rechtlich zulässig waren. Böhnings Anwalt Marcel Kelz erklärte in einer Stellungnahme: "Es gibt keinen Skandal." Es handelt sich laut seiner Darstellung eher um eine akademischen Frage, "für deren Beantwortung es in der dramatischen Situation im Herbst 2015 sicher keine Muße gab". Böhning sei der Überzeugung, dass es "zur dringend erforderlichen menschenwürdigen Versorgung der Flüchtlinge damals notwendig war, jede angebotene, erst recht ehrenamtliche, Unterstützung anzunehmen". Die Affäre beschäftigte bereits Berlins Landesparlament. Dort wies Böhning alle Vorwürfe zurück, die SPD-Spitze um den Regierenden Bürgermeister Michael Müller unterstützte ihn.

© SZ vom 02.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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