Lafontaine wird 65:Lieber Oskar ...

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Mit dem Vorschlag, reiche Familienunternehmen zu enteignen, hat sich Oskar Lafontaine selbst das größte Geburtstagsgeschenk gemacht. Hans-Jürgen Jakobs gratuliert zu diesem Coup - und anderen Lebensleistungen.

Lieber Oskar,

Populist, Klassenkämpfer, Stehaufmännchen: Oskar Lafontaine wird 65. (Foto: Foto: ddp)

da hast Du Dir ja selber zu Deinem heutigen Ehrentag das schönste Geschenk gemacht. Dem alten Klassenfeind, den Unternehmern, hast Du es einmal richtig gegeben auf einem "Autogipfel" der Wirtschaftszeitschrift Capital in Berlin, als Du das Thema Verteilung und Enteignung aufgebracht hast. Capital tat Dir den Gefallen, und publizierte das Video zur Diskussion mit Dir just zu Deinem 65. Geburtstag.

Dem Capital-Chefredakteur und den anwesenden Wirtschaftsleuten erklärtest Du, dass Maria-Elisabeth Schaeffler - das ist die Dame, die Continental gekauft hat - allein niemals in der Lage gewesen sei, zehn Milliarden Euro Vermögen zu erarbeiten und anzuhäufen. Das war das Personal, und deshalb müsse die Enteignung der Arbeiter rückgängig gemacht werden. Die erste Halle, die ein Unternehmer aufstelle, die könne ihm ganz gehören, doch schon die zweite Halle müsse zur Hälfte an die Arbeiter gehen, findest Du. Das ist mal ein Plan!

Polit-Kunst im Sinne Beuys

Du hast nichts gegen die Dame Schaeffler, sagtest Du noch, aber Enteignung (hier der Arbeiter) sei eigentlich "grundgesetzwidrig". Mit dem Grundgesetz - oder noch besser mit dem Völkerrecht - argumentierst Du ja ziemlich freischwebend, ganz so wie es Dir passt, aber es scheint doch so zu sein, dass Du bei einer Veranstaltung von Capital ganz an das "Kapital" des alten Karl Marx gedacht hat, mit all den Thesen über Produktionsmittel und Mehrwert.

Mit "Kapital" gegen Capital, lieber Oskar, das ist schon sehr fintenreich, das ist politische Kunst, so wie Joseph Beuys festgehalten hat: Kunst=Kapital. Du hast es in der Kunst, einen Platz in den Schlagzeilen zu finden, weit gebracht. Und weil Deine früheren Mitgenossen an der Spitze der SPD skrupelloser - Du würdest sagen: farbloser und wirtschaftsfreundlicher - sind, wirst Du es mit Deinem linken Wahlverein auf der Agenda 2009 vermutlich noch weiter nach oben bringen.

Als Du noch Juso warst, damals im Saarland, da wurde in der alten Arbeiterpartei SPD tatsächlich noch das "Kapital" analysiert. Du arbeitest mehr oder weniger heimlich vermutlich an der Rückenteignung Deiner alten Partei mit linken Mitteln, so lange, bis die Linkspartei die SPD ist und die Agenda-Sozialdemokraten in einer sozialliberalen Partei. Du willst erobern, so wie Maria-Elisabeth Schaeffler den Conti-Konzern. Jedenfalls ist nicht auszuschließen, dass Dich solche Gedanken treiben. Du wolltest ja schon 2003, dass die Ost-SPD mit der damaligen PDS fusioniert. Als Nächstes ziehst Du der armen SPD in Deinem Saarland die Partei mit vielen ihrer Mitglieder und Funktionäre unter dem Hintern weg.

Vorbild Augstein

Lieber Oskar, der Rudolf Augstein habe es auch so gemacht, und die Hälfte seines Spiegel-Verlags den Mitarbeitern geschenkt, hast Du auf dem Capital-Autogipfel erklärt. Du weißt, dass die Spiegel-Nummer eher ein Relikt aus den Post-68er-Tagen ist, und zum Beispiel die Mitarbeiterfirmen Photo Porst und Glashütte Süßmuth längst verschwunden sind. Aber das war Dir wahrscheinlich eine besondere Freude, den Jungs von Capital und Bertelsmann den Spiegel vorzuhalten, an dem der Medienkonzern auch beteiligt ist. Und zu erwähnen, dass der Spiegel mehr verdiene als Capital.

Du hast offensichtlich auch im Rentenalter richtig Spaß an der Sache und blühst auf, wenn mehr als ein Dutzend Leute im Raum sind. Du bist jetzt der große Sozialisierer, der Hallenheld der Arbeiter, so wie Du vor 20 Jahren der Heros der Manager warst, als Du in der Funktion als Chef einer Kommission für das SPD-Grundsatzprogramm für Arbeitszeitverkürzungen ohne vollen Lohnausgleich plädiert hast. Da hatten die Gewerkschaften aber einen Hass auf Dich! Die Deutschen wiederum hattest Du im Dezember 1989 noch vor "nationaler Besoffenheit" gewarnt und eine Mitgliedschaft des Landes in der Nato als "historischen Schwachsinn" gegeißelt, alles Lageeinschätzungen, die im kommenden Jahr zum 20. Jubiläum der Einheit wieder publiziert werden.

Da ist es besser, Du suchst Dir rasch viele andere würzige Themen, da ja auch der Bundestag gewählt wird, in dem Du wieder ganz Oskar Lafontaine sein willst, natürlich nur, wenn Du nicht zum Ministerpräsidenten des Saarlandes gewählt wirst.

Affären hast Du viele überstanden, etwa 1992 die Pensionsaffäre oder 1993 die "Rotlichtaffäre", und Du hast irgendwann einmal vom "Schweinejournalismus" gesprochen und im schönen Saarland das Recht auf Gegendarstellung in Medien verschärft. Heute geht es Dir wohl eher um die Schweinchen, die Journalisten mit Dir tagesaktuell durchs Dorf jagen können.

Darin bist Du gut, und so hoffen viele auf weitere Ideen, auch wenn es Betroffene wie Frau Schaeffler für "Schnapsideen" halten sollen. Aber vielleicht erklärst Du einfach einmal auf dem nächsten Capital-Gipfel, wie der Kapitalismus noch gerettet werden kann.

Mit den besten Wünschen,

Hans-Jürgen Jakobs

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