Länderfinanzausgleich:Extrawürste und Schmiermittel

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Die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern müssen neu geordnet werden. Zumindest die Ministerpräsidenten sind sich bereits einig.

Von Guido Bohsem und Jens Schneider, Berlin

Wolfgang Schäuble muss es richten. Darüber und nur darüber waren sich die Ministerpräsidenten der Länder gleich zu Beginn der Verhandlungen über den Finanzausgleich einig. All die Forderungen und Wünsche, die Extrawürste und die Besitzstandswahrungen würde man sich nur dann leisten können, wenn der Finanzminister den Ländern von 2019 an deutlich mehr Geld geben würde. Nur wenn Schäuble genügend Schmiermittel in die Geldverteilungsmaschine Länderfinanzausgleich schütten würde, gebe es eine Einigung.

Nach mehr als einem Jahr Verhandlungen ist man genau genommen immer noch an diesem Punkt. Zwar haben die Länder am Donnerstag ihre Differenzen beiseite gelegt. Doch es ist vor allem Geld des Bundes, mit dem diese Einigung erkauft werden müsste. 9,65 Milliarden Euro soll Schäuble den Ländern zusätzlich zahlen und in jedem Jahr soll es mehr werden.

Ob es den Ländern gelingt, mit dem Vorhaben auch Kanzlerin Angela Merkel zu überzeugen, war bei Redaktionsschluss noch nicht klar. Die ersten Reaktionen aus der Bundesregierung fielen zurückhaltend aus. Zwar war Schäuble schon mal bereit, 8,5 Milliarden Euro zu zahlen. Doch das waren andere Zeiten. Seit Beginn der Flüchtlingskrise sieht es in seinem Haushalt nicht mehr ganz so rosig aus wie noch im Frühjahr. Inzwischen ist fraglich, ob er 2016 die schwarze Null halten wird. Für die Zeit danach rechnet ohnehin kaum noch jemand damit. Jedenfalls dürfte es Schäuble schwerfallen, den Ländern pro Jahr eine weitere Milliarde zu überweisen.

Kernvorschlag der Länder ist es, den Finanzausgleich in seiner derzeitigen Form völlig abzuschaffen. Als Ersatz bieten sie einen Verteilungsmechanismus an, der über die Einnahmen aus der Umsatzsteuer arbeitet. Die werden derzeit verteilt, bevor es zum eigentlichen Finanzausgleich kommt. Mit diesem Trick ist vor allem Nordrhein-Westfalen gedient, das so nach langen Jahren wieder zum Zahlerland werden würde und sich nicht mehr von Bayern anhören müsste, auf seine Kosten zu leben.

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Doch auch die derzeitigen Zahlmeister des Länderfinanzausgleichs würden profitieren. Bayern, Hessen, Hamburg und Baden-Württemberg hätten mit den zusätzlichen Mitteln des Bundes mehr Geld zur Verfügung - insgesamt etwa zwei Milliarden Euro. Die zuletzt so unzufriedenen Ostländer könnten mit einem satten Plus von ebenfalls zwei Milliarden Euro rechnen.

Für Bremen und das Saarland gäbe es eine Extra-Finanzspritze von 800 Millionen Euro, um ihnen aus ihrer desolaten Finanzlage zu helfen. Die Stadtstaaten werden weiter besonders belastet und behalten den umstrittenen höheren Anteil pro Einwohner (Einwohnerveredelung). Und die westdeutschen Flächenländer profitieren durch zusätzliche Anteile an der Umsatzsteuer und anderen Dingen. Alles prima, alles fein, wenn, ja wenn Schäuble zahlt.

Was sich so einfach anhört, war hart verhandelt. Vor den Gesprächen hatten viele Teilnehmer nicht mit einer Einigung gerechnet. Einer hatte die Wahrscheinlichkeit sogar nur auf zehn Prozent beziffert, maximal. Zu oft schon hatten die Länderchefs oder ihre Finanzminister zusammengehockt und nichts zuwege gebracht. Nicht umsonst gilt die Reform des Länderfinanzausgleichs als anspruchsvollstes Vorhaben dieser Legislaturperiode.

Vieles spricht dafür, dass Zeitdruck den Unterhändlern nun Beine gemacht hat. Angesichts der anstehenden Wahlen in wichtigen Ländern und im Bund, bleibt im Prinzip nur noch bis zum Sommer, um die Reform über die Bühne zu kriegen. In Zeiten des Wahlkampfs, so die einhellige Meinung, könne die bunt-gewürfelte Ministerpräsidenten-Runde aus Mitgliedern der CSU, CDU, Linken, Grünen und SPD unmöglich zueinanderfinden. Außerdem machte sich unter den Ländern die Sorge breit, ob Schäuble im Sommer des kommenden Jahres - angesichts womöglich weiter steigender Flüchtlingszahlen - überhaupt noch in Lage sein würde, genügend Geld für eine Einigung rauszurücken.

Bereits am Mittwochabend hatten fünf Ministerpräsidenten unter Leitung von Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und Bayerns Regierungschef Horst Seehofer (CSU) das Treffen vorbereitet. Dabei hatte man einen Vorschlag aus Saarbrücken erweitert und so die unterschiedlichen Positionen unter einen Hut gebracht. Die Unionsländer stimmten am nächsten Tag schnell zu. Unter den SPD-regierten Ländern hatten vor allem Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz zunächst Bedenken. Doch mit einer weiteren halben Million Euro aus den Kassen des Bundes konnten auch diese ausgeräumt werden.

Ein paar Zugeständnisse gab es dabei auch für Schäuble. So soll der Stabilitätsrat wie von ihm gefordert künftig kontrollieren, ob die Länder die Schuldenbremse einhalten, die ihnen von 2020 an die Aufnahme neuer Schulden verbietet. Dazu soll das Gremium mit zusätzlichen Kompetenzen ausgestattet werden. Schäuble hatte zudem darauf gedrungen, die Finanzkraft der Kommunen im Länderfinanzausgleich zu berücksichtigen. Auch hier kamen ihm die Länder entgegen. Die Finanzkraft der Kommunen soll künftig zu 75 Prozent einbezogen werden.

Der neue Länderfinanzausgleich wird nach Vorstellungen der Länder unbegrenzt gelten. 2030 allerdings wollen sie gemeinsam mit dem Bund überprüfen, ob Änderungsbedarf besteht.

© SZ vom 04.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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