L'Oréal-Erbenstreit:Schlussverkauf bei Bettencourt

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Neue Wende im Familienstreit um die geistige Verfassung von L'Oréal-Erbin Liliane Bettencourt: Der Butler startet einen Lauschangriff, Madame verteidigt ihre millionenschweren Geldgeschenke - und die Affäre wird zum Politikum.

Johannes Willms, Paris

Auch bei den Superreichen dieser Welt hört beim Geld die Gemütlichkeit auf. Seit Dezember 2007 ist vor dem Gericht in Nanterre bei Paris eine Klage anhängig, die einen Skandal offenbar machte, der seither immer größere Wellen schlägt.

Sie ist die reichste Frau Frankreichs: Liliane Bettencourt im Pariser Elysee-Palast (Archivbild vom 25. April 2005). (Foto: AFP)

Die Klage, die von Françoise Bettencourt-Meyers, der einzigen Tochter der 87-jährigen schwerreichen Eigentümerin des Kosmetikkonzerns L'Oréal Liliane Bettencourt angestrengt wurde, stützt sich auf den Verdacht der Ausnutzung einer Person mit verminderter Zurechnungsfähigkeit. Konkret heißt das: Die Tochter einer der reichsten Frauen der Welt ist davon überzeugt, dass ihre Mutter seit dem Tod ihres Mannes André Bettencourt 2007 nicht mehr geschäftsfähig ist - ein Verdacht, der angesichts eines Vermögens von etwa 14 Milliarden Euro erhebliches Gewicht hat.

Schamlos ausgenutzt?

Dieser Umstand sei von einer Reihe von Freunden und Angestellten schamlos ausgenutzt worden, sagt die Tochter. Hauptverdächtiger ist der Fotograf François-Marie Banier, der seit 1987 zum Freundeskreis von Liliane Bettencourt gehört und dem die Witwe Geschenke im Wert von etwa einer Milliarde Euro zugewandt haben soll. Neben Bargeld, Lebensversicherungen und Kunstwerken soll, wie jetzt bekannt wurde, auch eine kleine Insel der Seychellen Unterpfand dieser Freundschaft sein, auf der Liliane Bettencourt mehrmals im Jahr ihren Urlaub verbringt.

Unmittelbar vor Beginn des Prozesses gegen Banier, der auf den 1. Juli angesetzt ist, hat die Affäre eine neue, verblüffende Wende genommen. Ein langjähriges Mitglied des Hauspersonals von Liliane Bettencourt hat ein Jahr lang, von Mai 2009 bis Mai 2010, heimlich Tonbandaufnahmen von Gesprächen gemacht, die Liliane Bettencourt mit Freunden und Beratern in ihrem Haus in Neuilly führte. Diese Gesprächsmitschnitte in einer Länge von über 21 Stunden hat der Angestellte der Tochter übergeben, die gestützt darauf die von ihr behauptete eingeschränkte Geschäftsfähigkeit der Mutter beweisen will.

Liliane Bettencourt weist diesen Verdacht in einem Interview mit der Zeitung Le Monde erneut entschieden zurück. "Ich bin mir sehr bewusst, dass ich einen Teil meines Vermögens verschenkt habe. (...) Man verlangt von mir viel. Mal sage ich ja, mal nein. Aber alles, was ich gegeben habe, habe ich freiwillig gegeben".

Indes sind Passagen dieser Gespräche in die Presse gelangt. Unter anderem ist darin die Rede von Schweizer Bankkonten, deren Einlagen nach Singapur oder Uruguay transferiert werden sollen, um sie vor dem französischen Fiskus in Sicherheit zu bringen. Frankreich und die Schweiz hatten 2009 ein Abkommen geschlossen, das bei Verdacht auf Steuerhinterziehung die Aufhebung des Bankgeheimnisses gestattete. Dieses Abkommen sollte am 1. Januar 2010 in Kraft treten.

Was diesen Verdacht auf Steuerhinterziehung besonders pikant macht, ist der Umstand, dass 2007 die Frau des damaligen Finanz- und heutigen Arbeitsministers Eric Woerth, Florence Woerth, von der Firma Clymene angestellt wurde, die für die Verwaltung des Vermögens von Liliane Bettencourt zuständig ist. Das rief natürlich sofort die Sozialisten auf den Plan. Deren Abgeordneter Arnaud Montebourg ließ sich unlängst mit der Feststellung vernehmen: "Wir haben einen Finanzminister, der gleichzeitig der Schatzmeister der (Regierungspartei) UMP ist, dessen Frau sich damit befasst, die Steuerhinterziehungen von Mme. Bettencourt zu organisieren".

Für diese Behauptung liefern die veröffentlichten Passagen der Tonbandaufnahme jedoch keinerlei Hinweise. Andererseits wird allerdings deutlich, dass Florence Woerth, die unterdessen die Firma Clymene wieder verlassen hat, von Liliane Bettencourts Finanzberater Patrice de Maistre vor allem deshalb eingestellt wurde, um deren Ministergatten zu Gefallen zu sein. Den damaligen Finanzminister bezeichnet de Maistre als "sehr sympathisch und außerdem ist er es, der für ihre Steuern zuständig ist, weshalb das keineswegs idiotisch war". Gemeint war damit die Anstellung von Florence Woerth.

Diese Feststellung ist angesichts des Verdachts auf Steuerhinterziehung zumindest peinlich - ebenso wie der Umstand, dass die Milliardärin Anfang März 2010 der UMP-Spitzenkandidatin in der Region Ile-de-France Spenden für die anstehenden Regionalwahlen anwies. "Sie wird zwar verlieren", wie sich de Maistre vernehmen ließ, "aber wir müssen ihr dennoch unsere Unterstützung zeigen. Der zweite, dem wir helfen sollten, ist der Finanzminister und der dritte ist Nicolas Sarkozy". Diese Zuwendungen rechtfertigte der Finanzberater damit, dass man in Zeiten wie diesen Freunde haben müsse.

An denen dürfte die freigiebige Milliardärin allerdings nie Mangel gehabt haben.

© SZ vom 22.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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