Kundus-Ausschuss:SPD will Merkel befragen

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Was wusste die Kanzlerin? Nach Grünen und Linke fordert nun auch die SPD eine Aussage von Bundeskanzlerin Angela Merkel vor dem Kundus-Untersuchungsausschuss.

Franz Josef Jung (CDU) und Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) werden nicht die ranghöchsten Zeugen vor dem Kundus-Untersuchungsausschuss des Bundestags bleiben. Nach den Grünen und der Linke hat sich nun auch die SPD für eine Vorladung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ausgesprochen. Die Opposition will, dass die Kanzlerin ihre Kenntnisse in der Kundus-Affäre dem Untersuchungsausschuss darlegt. Der SPD-Obmann in dem Gremium, Rainer Arnold, sagte der Bild-Zeitung: "Es gibt Fragen, die letztlich nur die Kanzlerin beantworten kann." Die Opposition kann Merkel ohne Zustimmung der schwarz-gelben Koalition vor den Untersuchungsausschuss laden.

Hintergrund ist eine erst jetzt aufgetauchte E-Mail, aus der hervorgeht, dass das Kanzleramt schon am Morgen des 4. September 2009 Hinweise auf zivile Opfer des von der Bundeswehr angeforderten Luftangriffs in Afghanistan hatte. Am Freitag hatten bereits Grüne und Linke eine baldige Vernehmung Merkels zur Kundus-Affäre verlangt.

Ab Mai werden Koalition und Opposition von Sitzung zu Sitzung abwechselnd über die Zeugen entscheiden. Ob die Kanzlerin noch vor der Sommerpause geladen wird, ist offen. Als nächster Zeuge ist Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) für den 22. April geladen. Er war durch unterschiedliche Aussagen zur militärischen Angemessenheit des Luftschlags mit bis zu 142 Toten und Verletzten unter Druck geraten.

Am Donnerstag hatte der ehemalige Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) vor dem Untersuchungsausschuss ausgesagt. Er bezeichnete das Vorgehen des deutschen Oberst Georg Klein als "nachvollziehbar". Dieser habe seinerzeit den Befehl zur Bombardierung zweier Tanklaster am 4. September vorigen Jahres in Nord-Afghanistan in zwei Telefonaten mit ihm, Jung, sehr glaubhaft begründet.

Die Affäre um den Luftschlag von Kundus kostete nicht nur dem ehemaligen Verteidigungsminister das Amt: Der damalige Generalinspekteur Schneiderhan und der frühere Staatssekretär Peter Wichert waren am 25. November von Jungs Nachfolger Guttenberg entlassen worden, weil Guttenberg sich in der Kundus-Affäre von den beiden Spitzenleuten unzureichend informiert gefühlt hatte.

SPD wirft Merkel Versäumnisse vor

Doch Politiker nicht nur der Opposition vermuten, dass Jung ebenso wie Schneiderhan und Wichert ein Bauernopfer für Guttenberg waren. Der neue Minister hatte Anfang Dezember seine ursprüngliche Einschätzung, der Luftschlag von Kundus sei nicht nur angemessen, sondern unvermeidlich gewesen, revidiert und den Angriff nun als militärisch nicht angemessen bewertet.

SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann warf Merkel Versäumnisse bei der Aufklärung des umstrittenen Bombardements von Kundus vor. Er sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung , im Kanzleramt seien wenige Stunden nach dem Luftschlag Informationen über zivile Opfer angekommen. "Nach dem größten Angriff deutscher Soldaten seit dem Zweiten Weltkrieg hätte sich die Kanzlerin natürlich sofort kümmern müssen." Zur Klärung der Frage, ob und wieviele Zivilpersonen verletzt oder getötet worden seien, habe das Kanzleramt alle Möglichkeiten.

Der CDU-Verteidigungsexperte Andreas Schockenhoff nahm Merkel in Schutz und verwahrte sich gegen den Vorwurf, sie habe sich nicht früh genug um Aufklärung gekümmert. Schockenhoff erwiderte, Merkel habe am 6. September und in den folgenden Tagen öffentlich auf die Möglichkeit ziviler Opfer bei dem Luftangriff hingewiesen. "Die Behauptung, Angela Merkel sei mit der Bombardierung bei Kundus und ihren Folgen nicht offen umgegangen, ist bösartig." Der SPD gehe es nur darum, Merkel im Wahlkampf vor der Abstimmung in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai anzugreifen. "Die SPD betreibt das Spiel der Taliban", sagte Schockenhoff.

Bericht: Ministerium hielt Unterlagen zurück

Unterdessen berichtet der Spiegel von neuen Verschleierungsvorwürfen gegen das Verteidigungsministerium: Demnach soll aus Akten des Verteidigungsministeriums hervorgehen, dass die Behörde unter damaliger Führung von Jung nicht nur der Öffentlichkeit, sondern auch der Justiz Informationen bewusst vorenthielt. Mitte September habe der Rechtsberater des Einsatzführungsstabs in Abstimmung mit der Abteilung Recht des Ministeriums verfügt, dass der Staatsanwaltschaft wichtige Dokumente zum Tathergang "nicht übermittelt werden" sollten.

Entsprechend sei auch der sogenannte Feldjägerbericht, der die Erkenntnisse der Militärpolizei in Kundus enthielt, der Ermittlungsbehörde vorenthalten worden. Am 1. Oktober beschlossen drei Juristen aus Einsatzführungsstab, Einsatzführungskommando und Verteidigungsministerium, "eine Weitergabe des Berichts an die Generalstaatsanwaltschaft Dresden zunächst" zurückzustellen, berichtet der Spiegel. Die Justizbehörde hatte damals Vorermittlungen gegen Bundeswehr-Oberst Georg Klein durchgeführt, der bei Kundus zwei entführte Tanklastwagen bombardieren ließ.

© sueddeutsche.de/dpa/AFP/Reuters/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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