Kundus-Affäre:"Ich war nicht im Kopf des Kommandeurs"

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Was wusste Oberst Klein, als er den Befehl für den Angriff auf die Tanklaster gab? Der Kundus-Untersuchungsausschuss befragt dazu Zeugen.

Peter Blechschmidt

Der Kundus-Untersuchungsausschuss des Bundestags hat am Donnerstag seine Ermittlungen zum Bombenangriff auf zwei von Taliban entführte Tanklaster am 4.September 2009 in Afghanistan fortgesetzt. Im Mittelpunkt stand die Befragung von zwei Soldaten, die neben dem damaligen Kommandeur Oberst Georg Klein an der Führung der Operation beteiligt waren. Der Nachrichtenoffizier der Sondereinheit Task Force47, Hauptmann N., und der sogenannte Fliegerleitoffizier, Oberfeldwebel W., sollten Auskunft darüber geben, aufgrund welcher Nachrichtenlage Klein den Befehl zur Bombardierung erteilte.

Klein hatte den Einsatz gegen die Tanker aus dem Gefechtsstand der Task Force heraus geleitet. Das wurde zum einen mit der besseren technischen Ausstattung der Task Force zur Übertragung von Bild- und Videoaufnahmen aus den eingesetzten Flugzeugen begründet. Den unmittelbaren Kontakt zu den Piloten hielt Oberfeldwebel W. unter dem Code-Namen Red Baron (Roter Baron).

Der zweite Grund für die Nutzung des Task-Force-Gefechtsstandes war, dass Hauptmann N. der Führungsoffizier eines afghanischen Informanten war, der per Handy über das Geschehen auf der Sandbank im Kundus-Fluss berichtete, wo die Tanklaster festgefahren waren. Hauptaufgabe der nach wie vor existierenden Task Force ist die Suche nach führenden Taliban.

Die beiden am Donnerstag gehörten Zeugen waren schon im Zuge der Nato-internen Untersuchung zu dem Angriff ausführlich befragt worden. Dabei hatte Hauptmann N. den ziemlich komplizierten Informationsfluss zwischen seiner "Quelle" an der Sandbank und dem Oberst im Gefechtsstand beschrieben. Demzufolge telefonierte der Späher mit dem Dolmetscher des deutschen Provinz-Aufbauteams (PRT), in dessen Lager sich auch der Gefechtsstand der Task Force befindet. Der Dolmetscher ist gebürtiger Afghane mit einem deutschen Pass und einem deutschen Offiziersrang. Er hielt sich außerhalb des Gefechtsstandes auf. Seine Informationen lieferte er an zwei sogenannten Kollektoren - Bundeswehrsoldaten, die ebenfalls außerhalb der Einsatzzentrale warteten. Diese wiederum informierten Hauptmann N., der dann seinen Kenntnisstand, gefiltert um seine eigenen Geheimhaltungsinteressen, an Oberst Klein weitergab.

Der Informant an der Sandbank stand offenbar in Kontakt mit anderen Mittelsleuten, denn er selbst hatte keinen freien Blick auf die Tanklaster. Er meldete wiederholt, dass sich im Umfeld der Laster nur Taliban und keine "Zivilisten" aufhielten. Dies war von entscheidender Bedeutung, denn Luftschläge gegen Aufständische sind nach den Nato-Einsatzregeln nur erlaubt, wenn zivile Opfer weitgehend vermieden werden. Hauptmann N. wurde von den Nato-Ermittlern intensiv nach der Zuverlässigkeit seiner Quelle befragt. N. sagte, er habe Oberst Klein in jener Nacht gesagt, dass seine Quelle normalerweise verlässlich sei, er aber nicht ausschließen könne, dass Fehler passierten oder dass die Quelle ihr eigenes Spiel treibe. Wie Klein diese Bewertung aufnahm, ließ N. offen. Er sei nicht "im Kopf des Kommandeurs", sagte N. den Nato-Ermittlern. Er habe es auch für wahrscheinlich gehalten, dass Klein zusätzliche Informationen gehabt habe, die ihm, N., nicht bekannt gewesen seien.

Ähnlich wie im Fall des Informanten an der Sandbank konnte sich Klein auch über die Kommunikation zwischen Red Baron und den Piloten kein unmittelbares Bild machen. Den Funkverkehr hörte Klein nicht mit. Er verließ sich vielmehr ganz auf den Oberfeldwebel, den er nach eigener Aussage für uneingeschränkt vertrauenswürdig hielt. Immerhin hatte Oberfeldwebel W. schon etwa 50 Lufteinsätze geleitet.

Gegenüber den Nato-Ermittlern schilderte W., wie Oberst Klein die Anforderung der beiden F-15-Jets, die letztlich die Bomben abwarfen, mit einer unmittelbaren Bedrohung und mit Feindberührung eigener Kräfte begründet hatte. W. bestätigte, dass die US-Einsatzkontrolle nur mit dieser Begründung bereit war, die Flugzeuge zu entsenden. W. sagte aber auch, dass er selbst keine akute Bedrohung gesehen habe. Auch die von Klein herangezogene Einsatzregel der Nato habe er nicht einleuchtend gefunden. Ob er dem Oberst allerdings dezidiert widersprach, wird aus dem Vernehmungsprotokoll der Nato nicht klar. Letztlich führte W. die Befehle seines Vorgesetzten auch aus. "Der Kommandeur ist und bleibt der Kommandeur, und ich bin Soldat", sagte W.

Klein hat die volle Verantwortung für den Bombardierungsbefehl übernommen. Zur Rolle von N. und W. sagte Klein vor 14 Tagen im Ausschuss. "Ich bin Oberst, und das waren ein Hauptmann und ein Oberfeldwebel. Die können mich beraten, aber nicht drängen."

© SZ vom 26.02.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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