Kubanischer Dissident:Bereit zu sterben

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Der kubanische Dissident Guillermo Fariñas befindet sich im 23. Hungerstreik - es könnte sein letzter sein. Er fordert die Freilassung von 26 kranken Politgefangenen. Seinen Tod fürchtet er nicht.

Peter Burghardt

In einer Klinik der kubanischen Stadt Santa Clara liegt ein ausgezehrter Mann auf der Intensivstation, er will seit dem 24. Februar nichts essen und trinken. Nach einem Zusammenbruch hängt Guillermo Fariñas am Tropf, eine Infektion muss bekämpft werden. Seinen Zustand bezeichnen die Ärzte mal als kritisch, mal als stabil, Fotos zeigen eine ausgemergelte Gestalt mit blankem Schädel.

Der Patient demonstriert für die Freilassung von 26 kranken Politgefangenen und weist darauf hin, dass er den Tod nicht fürchte. "Mir ist klar, dass ich sterbe", sagte Fariñas der spanischen Zeitung El País. "Ich will, dass das passiert. Nicht jedem Patrioten gibt man die Möglichkeit, vor den Augen der Welt zu sterben." Er werde beweisen, "dass das Regime für seinen Hochmut und seine Intoleranz Oppositionelle sterben lässt."

Der 48 Jahre alte Dissident begann seine Aktion, als ein anderer Widersacher der kommunistischen Inselführung sein Leben gelassen hatte. Orlando Zapata war nach 85 Tagen ohne Nahrung am 23. Februar in Havanna verschieden; er hatte gegen seine Haftbedingungen protestiert. Der Regierung von Raúl und Fidel Castro gelten die Herausforderer als Delinquenten, Selbstmörder und Konterrevolutionäre, gesteuert von feindlichen Interessen. Für die Opposition sind Zapata und Fariñas Märtyrer, die friedlich ein autoritäres System bekämpfen.

Nicht der erste Hungerstreik

Für Guillermo Fariñas ist es bereits der 23. Hungerstreik. Dabei war er einst ein treuer Soldat des Comandante. In den achtziger Jahren kämpfte der Aktivist mit Spitznamen Coco in Castros Elitetruppen im angolanischen Bürgerkrieg. Nach der Erschießung von General Arnaldo Ochoa, der die Angola-Expedition befehligt hatte, wegen mutmaßlichen Drogenhandels wandte sich Fariñas vom Regime ab.

Der studierte Psychologe wurde Dissident und betätigte sich als Journalist jenseits der Staatsmedien. Er saß des Öfteren im Gefängnis. Die Vereinigung Reporter ohne Grenzen zeichnete ihn als "Cyberdissidenten" aus, 2006 verlieh ihm die Stadt Weimar einen Menschenrechtspreis. Seit Jahren gehört der Mestize zur versprengten Szene der Gesinnungsgegner, die im Ausland oft bekannter sind als daheim.

Castro in Bedrängnis

Seine neues Dauerfasten bringt ihn jetzt in Lebensgefahr - und die Castros in Bedrängnis, denn Kritik und Widerstand nehmen zu. EU, UN und USA fordern zum Einlenken auf. Angehörige von Häftlingen gehen auf die Straße. Die Bloggerin Yoani Sánchez berichtet von Fariñas ausgemergelter Gestalt und den Tränen seiner Frau Clara.

Sogar die regimetreuen Sänger Silvio Rodríguez und Pablo Milanés mahnen bei den Castros vorsichtig Reformen an. Staatschef Raúl Castro dagegen erklärte beim KP-Jugendkongress, Kuba werde "niemals einer Erpressung nachgeben". Fariñas sei für die Folgen seiner "selbstzerstörerischen Haltung" verantwortlich. Die KP-Zeitung Granma bezeichnet ihn als Verbrecher und US-Söldner. "Söldner geben nicht ihr Leben für eine Sache", widerspricht Fariñas.

Spaniens Angebot für einen Flug ins Exil schlug er aus. Entweder die kranken Gefangenen würden freigelassen - "oder sie sollen mich hier begraben." Andere würden seinen Hungerstreik fortsetzen.

© SZ vom 10.4.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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