Kuba:"Ein sehr gefährliches Tier"

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Der kubanische Politologe Pérez Benítez über den Niedergang Venezuelas und eine mögliche Wiederwahl Trumps.

Interview von Sebastian Schoepp

Kuba ist im Wandel, und die EU überdenkt ihre Position zu Havanna, die bisher von einer grundlegenden Forderung nach Demokratie und Meinungsfreiheit geprägt war. 2017 wurde ein neuer Dialog mit Havanna initiiert. Kuba hat starkes Interesse an europäischen Investitionen, denen das US-Embargo enge Grenzen setzt. An diesem Montag treffen in Havanna die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und Kubas Außenminister Bruno Rodríguez zusammen. Die SZ sprach zu diesem Anlass mit dem Politologen Santiago Pérez Benítez, stellvertretender Direktor des Forschungszentrums für Internationale Politik in Havanna.

SZ: Trump im Norden, ein kriselndes Venezuela im Süden - wie steht Kuba da?

Pérez Benítez: Kuba macht gerade einen großen Wandlungsprozess durch, aber es gibt immer noch einen ernst zu nehmenden inneren Konsens über unseren Weg. Unsere Politik ist ja daran gewöhnt, mit schwierigen Bedingungen zu kämpfen.

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde Venezuela wichtigster Partner Kubas. Doch der strauchelt. Wie verkraftet Kuba das?

Der von außen herbeigeführte Niedergang Venezuelas hat uns hart getroffen. Die venezolanische Führung unternimmt große Anstrengungen, die Lieferungen an die Insel aufrechtzuerhalten. Aber Kuba versucht auch, das eigene Potenzial stärker zu nutzen. Unsere Bevölkerung weiß natürlich, was los ist, auch wenn sich die Treibstoffknappheit noch nicht bemerkbar macht, es gab noch keine Stromausfälle. Aber die Wirtschaftskraft ist zurückgegangen. Dieses Jahr wird es ein sehr bescheidenes Wachstum geben. Aber denken Sie daran: Zwischen 1995 und 1999, als Chávez an die Macht kam in Venezuela, sind wir auch ohne Hilfe zurechtgekommen.

Wer könnten die Verbündeten der Zukunft sein?

Unsere militärische Sicherheit hängt von keinerlei Allianzen ab. Aber wir haben hervorragende Verbindungen zu den zwei wichtigsten Machtpolen der Gegenwart, China und Russland. Es gibt große russische Projekte auf Kuba. Wir haben auch gute Beziehungen zu Vietnam, Japan, Indien und Iran. Die Beziehungen zu Europa sind ebenfalls fundamental, vor allem zu Spanien, Italien, Frankreich, die Projekte in Wirtschaft und Tourismus bei uns haben.

Wie ist es um die Beziehungen mit der EU bestellt?

Die Annäherung an den Westen und die Obama-Administration zwischen 2014 und 2016 war eine wichtige Erfahrung. Wir nehmen heute eine weniger ideologische Haltung in der europäischen Führung gegenüber Kuba wahr. Es wird in Brüssel nicht mehr wie früher der Regimewechsel gefordert und eher darauf geschaut, wie man bei Themen vorankommen kann, von denen beide Seiten profitieren. Bei Kuba macht die EU auch deutlich, dass sie nicht zu denen gehört, die vor Donald Trump die Hacken zusammenschlagen.

Was könnte sich an den Beziehungen zur EU noch verbessern?

Wir würden gerne bilateral Kontakte zu Parteien, Parlamenten, Kommissionen oder sogar Regionen aufnehmen. In Europa gibt es ja ein großes Interesse an Kuba. Die Wirtschaftsbeziehungen stehen dabei natürlich im Vordergrund. Ich bedauere, dass viele Privatfirmen zu viel Angst vor den USA haben und bei Geschäften mit Kuba Sanktionen fürchten. Mit der EU selbst arbeiten wir zusammen bei der Lebensmittelversorgung, dem Klimawandel, erneuerbaren Energien. Und wir tauschen uns darüber aus, wie man die kubanische Wirtschaft modernisieren könnte.

Anlässlich des Besuchs der EU-Delegation haben in Havanna erneut oppositionelle Gruppen demonstriert und die Einhaltung der Menschenrechte gefordert. Wie steht es um die Meinungsfreiheit in Kuba?

Besser, als die meisten glauben. Über kaum ein Land hat es mehr Fake News gegeben als über Kuba. Man nimmt das im Ausland kaum wahr, aber bei uns gibt es eine sehr hoch entwickelte Debatte über unsere Realität, über die Verfassung, die wirtschaftliche Entwicklung, die Eigentumsstruktur, die Ehe für alle und weitere Themen. Glauben Sie nicht, dass Befehlen in Kuba einfach wäre, unsere Bevölkerung ist sehr fordernd und spürt ihre Macht. Das hat sich so erhalten, trotz der materiellen Einschränkungen und der zunehmenden Hetze aus dem Norden, den USA.

Was wird Kuba tun, wenn Donald Trump wiedergewählt wird?

Die USA werden ein sehr gefährliches Tier für uns. Das hat dort auch innenpolitische Gründe, weil Florida ein Swing State mit vielen Wechselwählern ist, dort lebt die exilkubanische rechtsgerichtete Lobby, die Druck ausübt. Sollte Trump wiedergewählt werden, wird die kubanische Führung das tun, was sie immer getan hat: abwarten.

© SZ vom 09.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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