Im Ballsaal des Berliner Hotels Adlon gilt es, einen großen Mann zu feiern. Das Symposium über den "Wirtschaftsraum Südkaukasus" findet laut Einladung statt anlässlich des 90. Geburtstages von Geidar Alijew, des "Neugründers des heutigen Aserbaidschan". Eine Fotoausstellung rückt den vor zehn Jahren gestorbenen Alijew ins beste Licht: Alijew mit Bill Clinton, Alijew mit George W. Bush, Alijew mit dem Papst. In seiner Begrüßungsrede erläutert der aserbaidschanische Botschafter dem Festpublikum die Bedeutung Alijews. Sie entspreche, sagt er, in etwa der von Konrad Adenauer, Willy Brandt und Charles de Gaulle. In der ersten Reihe sitzen EU-Energiekommissar Günther Oettinger und Hans-Dietrich Genscher.
Nur Stunden zuvor ist der langjährige FDP-Außenminister und weltweit geachtete Entspannungspolitiker von der Viadrina-Universität für seine Verdienste um die deutsch-polnische Aussöhnung ausgezeichnet worden. Nun ist er gekommen, um einen Mann zu preisen, dessen Lebenswerk eine stabile Diktatur ist, deren Geschicke seit dem Ableben des Vaters dessen Sohn Ilham leitet. Seit dem Beitritt Aserbaidschans zum Europarat habe nicht eine einzige demokratische Wahl in dem Land stattgefunden, beklagte im Januar die Parlamentarische Versammlung des Europarates. In einer Resolution zeichnete sie das Bild eines Landes, in der Oppositionelle verfolgt und Bürgerrechte missachtet werden. In seiner Festrede sagt Genscher, dass Geidar Alijew "mit Stolz zurückblicken könnte" auf das von ihm Geschaffene.
Genscher amüsiert sich über Demonstranten
Im wohlwollenden Umgang mit Autokraten folgt Genscher bereits einer gewissen Routine. "Mich hat beeindruckt, mit welcher Klarheit Sie den Weg Ihres Landes vorgezeichnet haben", begrüßte er im Februar 2012 den kasachischen Dauerpräsidenten Nursultan Nasarbajew vor dessen Rede bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Über Demonstranten vor der Tür machte sich Genscher lustig. Das sei eben eine "lebendige Begrüßung".
In seinen 18 Jahren als Außenminister hat Genscher es zu einer Meisterschaft im Dialog gebracht, die ihm im Kalten Krieg und insbesondere während des Umbruchs in Europa diplomatische Spielräume eröffnete. Bis heute hält er wenig davon, allzu direkt Demokratie und Menschenrechte einzufordern. "Höchste Priorität", schrieb er etwa im Dezember 2012 im Tagesspiegel, habe "eine langfristig angelegte Partnerschaft und Kooperation zwischen der EU und Russland". Die Union müsse in Wladimir Putin einen Partner erkennen.
Genscher mag da seiner diplomatischen Linie treu bleiben, offenkundig aber folgt er auch unternehmerischen Interessen. Der FDP-Ehrenvorsitzende ist auch Ehrenvorsitzender des Beirats der PR-Agentur Consultum Communications mit Sitz in Berlin. "Seriosität und Kompetenz sind die Grundlagen der Arbeit von Consultum", lässt sich Genscher auf der Homepage zitieren. Die Agentur des früheren Bild-Journalisten Hans-Erich Bilges hat sich unter anderem auf die "Beratung und Betreuung ausländischer Regierungen und ihrer diplomatischen Vertretungen in Deutschland" spezialisiert.