Kriminalität:"Schreckliches Verbrechen"

Lesezeit: 1 min

Tausende Frauen sind Opfer von Genitalverstümmelung. Manche werden dafür außer Landes gebracht - die Koalition will dem nun ein Ende setzen.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Mehr als 47 000 Frauen, die in Deutschland leben, sind Opfer weiblicher Genitalverstümmelung geworden. Weiteren 1500 bis 5500 Mädchen und Frauen, deren Familien aus Ländern wie Eritrea, Irak, Somalia, Ägypten oder Äthiopien in die Bundesrepublik gekommen sind, drohen Opfer dieser Straftat zu werden. Das ergab eine Studie, die die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes für das Bundesfamilienministerium erstellt hat. "Das Thema ist noch brisanter geworden durch den Flüchtlingszuwachs in den letzten beiden Jahren", sagte Familienstaatssekretär Ralf Kleindiek bei der Vorstellung der Studie am Montag in Berlin.

Der Studie zufolge gibt es Hinweise auf eine Zunahme sogenannter Ferienbeschneidungen um mehr als 40 Prozent. Gemeint sind damit Genitalverstümmelungen, für die Mädchen und junge Frauen in die jeweiligen Herkunftsländer gebracht werden. "Genitalverstümmelung ist ein schreckliches Verbrechen, das keinesfalls hinzunehmen ist", so Kleindiek. Die Bundesregierung habe ein Gesetz auf den Weg gebracht, das Angehörige an einer Genitalverstümmelung im Ausland hindern soll.

Bei weiblicher Genitalverstümmelung wird die Klitoris teilweise oder ganz entfernt. Betroffen sind laut Weltgesundheitsorganisation weltweit rund 200 Millionen Frauen und Mädchen. Viele leiden unter Blutungen, Schmerzen beim Urinieren oder beim Sex, oft kommt es zu Unfruchtbarkeit nach Infektionen, tödlichen Komplikationen beim Gebären und seelischen Traumata. "Das ist ein absolutes Tabuthema", sagte Tiranke Diallo bei der Präsentation der Studie. Sie leitet im Rahmen des Projekts "Change" in Guinea Präventionsarbeit in Gemeinden an. Dort seien 96 Prozent der Frauen verstümmelt, es sei viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Auch in Deutschland müssten Behörden und medizinisches Personal für den "schrecklichen Brauch" sensibilisiert werden.

Genitalverstümmelung sei eine schwere Menschenrechtsverletzung und müsse weltweit bekämpft werden, forderte die Bundesgeschäftsführerin von Terre des Femmes, Christa Stolle. Nach deutschem Recht ist sie auch dann verboten, wenn sie an Mädchen mit deutschem Wohnsitz im Ausland vorgenommen wird. Ein Gesetz, das sich noch im parlamentarischen Verfahren befindet, soll Behörden künftig erlauben, die Pässe Angehöriger einzuziehen, wenn es Hinweise auf eine geplante Beschneidung im Herkunftsland der Familie gibt.

© SZ vom 07.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: