Kriminalität:NRW will verstärkt gegen Clans vorgehen

Lesezeit: 1 min

Polizei, Zoll, Steuerfahndung und lokale Ordnungsämter wollen illegale Geschäfte krimineller Großfamilien gemeinsam bekämpfen. Schwerpunkt ist eine Stadt im Ruhrgebiet.

Von Christian Wernicke, Essen

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul hat der organisierten Kriminalität türkisch- und arabischstämmiger Großfamilien im Ruhrgebiet den Kampf angesagt. "Kriminelle Clan-Mitglieder erheben den Anspruch auf die Kontrolle der Straße", warnte der CDU-Politiker, "das ist ein frontaler Angriff auf den Rechtsstaat." Die Polizei werde vereint mit lokalen Ordnungsämtern, Zoll und Steuerfahndern massiv gegen die etwa hundert in NRW ansässigen Clans vorgehen. Reul sagte, die Politik habe diese Herausforderung zu lange unterschätzt und viele Jahre gezaudert. Nun, so Reul, gelte: "Ich bin für Handeln, nicht für Nachdenken!"

Nach einer neuen Lageanalyse des Landeskriminalamtes von NRW konzentrieren sich die illegalen Geschäfte der vor allem aus Libanon zugezogenen Clans auf das Ruhrgebiet. Essen gilt - außer Bremen und Berlin - als ein Hotspot. Von Beginn 2016 bis Ende 2018 addierte das LKA in NRW 14 225 Straftaten von 6449 Tatverdächtigen, die zu Großfamilien zählen. Meist gehe es um Einbruch, Betrug und Drogenhandel. Mehr als ein Drittel aller Taten (5606), so LKA-Abteilungsleiter Thomas Jungbluth, seien Gewaltdelikte, zumeist Körperverletzung, gewesen. In den untersuchten drei Jahren habe man 26 vollendete oder versuchte Tötungsdelikte von Clans gezählt. Essens Polizeipräsident Frank Richter deutete das Heranwachsen einer teilweise kriminellen Parallelgesellschaft auch als Folge "einer verfehlten, in vielen Bereichen gescheiterten Integrationspolitik". Viele Mitglieder von Großfamilien hätten lange keine Aufenthalts- oder Arbeitserlaubnis erhalten. Jedoch seien bei Weitem nicht alle etwa 15 000 in Essen ansässigen Angehörigen kriminell. Nötig seien spezielle Programme für Clan-Mitglieder, die aussteigen wollten.

Die Straftäter jedoch, so Richter weiter, betrachteten mittlerweile "das gesamte Ruhrgebiet als ihren Aktionsraum" und hätten für den scheinbar schwachen deutschen Staat nur noch Verachtung übrig. Ähnlich äußerte sich Essen Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU). Essen sei zwar statistisch die sicherste Großstadt Nordrhein-Westfalens. Das Auftreten vieler Clan-Mitglieder verunsichere jedoch die Bevölkerung und sei "eine Provokation für Stadt und Staat".

© SZ vom 31.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: