Krieg in Libyen:Schiff holt 900 Menschen aus Misrata

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Dramatische Rettungsaktion: Unter heftigem Beschuss von Gaddafis Truppen hat ein Hilfsschiff Hunderte Flüchtlinge aus Misrata in Sicherheit gebracht. Der CIA wähnt den libyschen Machthaber noch am Leben.

Truppen des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi haben nach Angaben von Rettungskräften die Hafenstadt Misrata bombardiert. Vize-Außenminister Chaled Kaim erklärte, der Hafen sei geschlossen und ausländische Schiffe würden von den Regierungstruppen angegriffen. Das libysche Regime versucht nach eigenen Angaben, den Zugang zu Misrata über den Seeweg zu blockieren.

Ort der Hoffnung für Hunderte Flüchtlinge: Menschen stehen Schlange, um an Bord der Red Star One zu gelangen. Das Hilfsschiff konnte am Mittwoch den Hafen Misratas in Richtung Bengasis verlassen - trotz der anhaltenden Bombardierung durch Gaddafis Truppen. (Foto: AP)

Ziel des Bombardements an diesem Mittwoch war ein Gebiet in der Nähe des Hafens, wo ein Schiff der Internationalen Organisation für Migration (IOM) zur Rettung von Flüchtlingen angelegt hatte, wie der libysche Rote Halbmond mitteilte. Trotz des Belagerungsrings der Gaddafi-Truppen ist es der Hilfsorganisation gelungen, fast 900 Menschen aus der umkämpften Stadt herauszubringen. Wie die Internationale Organisation für Migration (IOM) in Genf mitteilte , verließ die Red Star One den Hafen von Misrata. An Bord seien etwa 800 in Libyen gestrandete Gastarbeiter vor allem aus afrikanischen Ländern, 50 verletzte Bewohner Misratas, einige internationale Ärzte und 20 Journalisten. Das Schiff habe Kurs auf Bengasi, die Hochburg der Regimegegner im Osten Libyens, genommen.

Misrata konnte fast eine Woche lang nicht von Schiffen angesteuert werden, weil die Hafeneinfahrt von Gaddafis Truppen beschossen wird. Zudem hatten Regierungstruppen die Hafeneinfahrt vermint. Auch beim Ablegen der "Red Star One" waren im Hintergrund Schüsse zu hören.

Unterdessen hat der US-Geheimdienst CIA Gerüchte dementiert, wonach Gaddafi bei einem Nato-Angriff am vergangenen Samstag getötet wurden. CIA-Direktor Leon Panetta sagte dem amerikanischen Fernsehsender NBC, alle Informationen deuteten darauf hin, dass Gaddafi den Angriff auf das Anwesen seiner Familie am Samstag überlebt habe.

Libyschen Berichten zufolge waren ein Sohn und drei Enkel des Machthabers bei dem Angriff ums Leben gekommen. Gaddafi, der sich auch in dem Gebäude aufgehalten haben soll, war seitdem nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen worden. Kaim erklärte, der Staatschef habe sich am Dienstag mit örtlichen Stammesführern getroffen.

Rasmussen will Rebellen finanziell unterstützen

Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sprach sich erstmals für finanzielle Unterstützung der Rebellen in Libyen aus. Es wäre "hilfreich, wenn die Rebellen über eine ausreichende Finanzierung verfügen würden", sagte Rasmussen in Brüssel. US-Außenministerin Hillary Clinton hatte sich bereits auf einem Nato-Ressortcheftreffen in Berlin Mitte April dafür ausgesprochen, eingefrorene Guthaben von Gaddafi für den Übergangsrat in Bengasi bereitzustellen.

Neben Misrata ließ der libysche Machthaber am Dienstagabend und am Mittwochmorgen auch die Stadt Zintan im Nordwesten des Landes bombardieren sowie eine wichtige Versorgungsroute der Aufständischen. 40-Grad-Raketen seien auf die Stadt in den Bergen abgefeuert worden. In der Region lebt die ethnische Gruppe der Berber. Bei den jüngsten Angriffen sei niemand verletzt worden, sagte ein Sprecher der Gemeinde. Sechs Menschen seien allerdings bei Gefechten am Montag und Dienstag ums Leben gekommen.

Seit die 45.000-Einwohner-Stadt sich der Protestbewegung angeschlossen habe, seien fast 100 Menschen ums Leben gekommen, hieß es. Die Versorgung der Stadt werde immer wieder unterbrochen. Sie stehe und falle mit den Erfolgen der Aufständischen, die Regierungstruppen zurückzudrängen, sagte der Gemeindesprecher. Bislang reichten die Vorräte noch aus, doch es gingen die Medikamente aus.

Chefankläger: Gaddafi-Regime begeht Verbrechen an Zivilisten

Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofes, Luis Moreno Ocampo, will Haftbefehle gegen drei Libyer wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit beantragen. Das teilte das Gericht in Den Haag mit. Zuvor hatte Ocampo in New York den Weltsicherheitsrat über seine Untersuchungen zu Kriegsverbrechen in Libyen informiert. Demnach gibt es genügend Beweise, um drei namentlich nicht genannte Personen zu verhaften.

In Libyen versucht Machthaber Muammar al-Gaddafi seit rund drei Monaten mit massiver Gewalt, einen Volksaufstand niederzuschlagen. Der UN-Sicherheitsrat hatte den Strafgerichtshof am 26. Februar mit Vorermittlungen beauftragt. "Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurden und werden weiterhin in Libyen begangen", erklärte Ocampo in New York. Unbewaffnete Zivilisten würden in vielen Städten angegriffen, getötet und verfolgt. Ocampo will die Haftbefehle in den nächsten Wochen beantragen. Anschließend muss das Gericht darüber entscheiden.

Der Ankläger kündigte weitere Ermittlungen zur Verbrechen in Libyen an. Geprüft würden Berichte über Vergewaltigungen, Misshandlungen, Tötungen und unrechtmäßige Festnahme von Afrikanern, die für Söldner gehalten wurden. Auch der Einsatz von schweren Waffen und Munition wie Splitterbomben, Raketenwerfern und Granaten in dicht bevölkerten Gebieten werde untersucht.

© dpa/dapd/AFP/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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