Krieg in Libyen: Geld gegen Gaddafi:"Vergleichbar mit Piraterie"

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Ein kluger Schachzug? Der Westen will Libyens Rebellen mit Gaddafis Geld unterstützen - aus Tripolis kommt harsche Kritik. Derweil soll Gaddafi die Zivilbevölkerung für den Kampf gegen die Aufständischen mit Waffen ausstatten.

Die libyschen Rebellen sollen Gaddafis Geld erhalten: Beim ihrem Treffen in Rom hat die Libyen-Kontaktgruppe angekündigt, einen Sonderfonds zur Unterstützung der Aufständischen einzurichten. An dieser Entscheidung kommt nun massive Kritik von der libyschen Regierung: "Die Nutzung der eingefrorenen Vermögen ist vergleichbar mit Piraterie", sagte der stellvertretende Außenminister Chalem Kaim. Die Rebellen seien keine legale Gruppierung. Sie repräsentierten kein Land, und Libyen sei nicht gespalten, weder durch ein Referendum noch durch eine UN-Resolution.

Ein Kämpfer der libyschen Rebellen nahe der Stadt Adschdabija: Die Fronten zwischen den Aufständischen und den Regierungstruppen sind verhärtet - am Donnerstag haben die Rebellen der Libyen-Kontaktgruppe ihre Situation geschildert. (Foto: REUTERS)

Am Donnerstag hatte die 22 Nationen umfassende Libyen-Kontaktgruppe bei ihrem Treffen in Rom Details zu dem Sonderfonds bekannt gegeben, der die Rebellen finanziell unterstützen soll. Italiens Innenminister Franco Frattini erklärte, es seien bereits 250 Millionen Dollar (knapp 170 Millionen Euro) für humanitäre Hilfe zugesagt worden. US-Außenministerin Hillary Clinton teilte mit, die USA versuchten, Teile des eingefrorenen libyschen Vermögens in Höhe von mehr als 30 Milliarden Dollar (20 Milliarden Euro) den libyschen Rebellen zur Verfügung zustellen.

Die Lage der Rebellen ist insbesondere in der seit Wochen belagerten Stadt Misrata katastrophal. Die Aufständischen benötigen nach eigenen Angaben in den kommenden Monaten bis zu zwei Milliarden Euro für Sold, Nahrungsmittel, Medikamente und andere Versorgungsgüter.

Bei dem Treffen in Rom stellte der Vertreter des libyschen Übergangsrates, Mahmud Dschibril, eine Roadmap vor für die Zeit nach Gaddafi, die freie Wahlen zum Ziel hat. Der Plan wurde in der Abschlusserklärung der Gruppe ausdrücklich begrüßt. Die Roadmap sieht vor, dass innerhalb von zwei Wochen eine Versammlung des gesamten libyschen Volkes einberufen und dabei der Beschluss zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung gefasst wird, wie es in Delegationskreisen hieß. Vier Monate nach Annahme der Verfassung per Referendum könnte es dann Wahlen geben. Das Problem daran: Nach wie vor ist nicht absehbar, wann und ob Gaddafi aufgeben wird.

Dennoch hält der italienische Außenminister Franco Frattini ein baldiges Ende der Nato-Mission in Libyen für realistisch. Frattini sprach von "drei bis vier Wochen". Doch müsse der Druck auf Gaddafi erhöht werden, um eine politische Lösung zu ermöglichen.

Kalaschnikows an Zivilisten?

Die Fronten zwischen den Regierungstruppen im Westen und den Aufständischen im Osten Libyens sind allerdings nach wie vor verhärtet. Nun machen auch noch Gerüchte die Runde, wonach das Regime von Machthaber Gaddafi die Zivilbevölkerung bewaffnen lässt: Ausländische Journalisten wurden kürzlich von der Regierung zu mehreren Ausbildungslagern geführt und konnten militärische Übungen beobachten. Offen ist, inwieweit dies Propaganda des Regimes ist, denn häufig wirkten die Szenen Agenturberichten zufolge gestellt. Männer auf einem Schießstand in der Wüste erklärten, sie seien zum ersten Mal in dem Trainingscamp. Einige Dutzend Schüler, die auf ihrem Schulhof paramilitärische Übungen absolvierten, sagten, sie hätten ihre Tarnanzüge erst am Tag zuvor erhalten.

Wegen strenger Restriktionen für ausländische Journalisten konnte nicht unabhängig überprüft werden, ob die Waffen tatsächlich ausgegeben wurden. Allerdings erklärten etwa ein Dutzend Libyer in verschiedenen Teilen des Landes, sie hätten Sturmgewehre vom Typ Kalaschnikow aus städtischen Waffendepots erhalten.

Regierungssprecher Mussa Ibrahim hatte zuletzt die Verteilung von Hunderttausenden Gewehren an Zivilpersonen angekündigt. Anfang März hatte der libysche Machthaber selbst bei seinen Auftritten erklärt, man werde die Zivilbevölkerung bewaffnen: "Wir geben nicht auf! Wir kämpfen bis zum letzten Blutstropfen!", sagte Gaddafi damals unter dem Applaus seiner Anhänger.

Frankreich weist libysche Diplomaten aus

Unterdessen hat Frankreich 14 libysche Diplomaten des Gaddafi-Regimes ausgewiesen. Die Diplomaten seien "unerwünschte Personen" und müssten Frankreich in den nächsten 48 Stunden verlassen, teilte das Außenministerium in Paris mit. Die französische Regierung hat als erstes europäisches Land den Übergangsrat der Aufständischen in Libyen anerkannt, daher betrachtet sie die Gaddafi-Diplomaten nicht mehr als legitime Vertreter ihres Landes. Nicht betroffen sind der Botschafter Libyens Salah Zaren und Unesco-Botschafter Abdul Salam al-Galali, die im Februar zu den Aufständischen übergetreten waren.

© dpa/AFP/dapd/Reuters/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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