Krieg im Gaza-Streifen:"Sie werden Arme und Beine verlieren"

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Es fehlen Strom, Medikamente, Blutkonserven: Palästinensische Ärzte bitten ihre Kollegen in Israel um Hilfe, weil es den neun Krankenhäusern im Gaza-Streifen an fast allem mangelt.

Thorsten Schmitz

Die Generatoren versagen und Patienten müssen sich Betten teilen. Für die neun Krankenhäuser im Gaza-Streifen wird es immer schwieriger, die Verwundeten zu versorgen. Bei den massiven israelischen Luftangriffen sollen bereits über 400 Menschen getötet und mehr als 2000 Menschen zum Teil schwer verletzt worden sein. Das Gesundheitsministerium in Gaza geht davon aus, dass die Zahl der Toten sogar noch höher liegt, da viele Menschen vermisst und unter den Trümmern zerbombter Häuser vermutet würden.

Kaum Platz für die unzähligen Verletzten, kein Platz mehr für die Toten: Das Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt. (Foto: Foto: AP)

Nach Angaben der Hilfsorganisation "medico international" mangelt es in den Kliniken an allem Notwendigen. Die meisten Hospitäler verfügten nur sechs bis acht Stunden am Tag über Strom, die übrige Zeit müssten Generatoren Energie liefern. Diese seien aber nicht mehr voll leistungsfähig, seit die israelische Blockade des Gaza-Streifens nach dem Putsch der Hamas vor eineinhalb Jahren die Einfuhr von Ersatzteilen für Generatoren aus "Sicherheitsgründen" stoppte.

Lebensgefahr durch Stromausfälle

Stromausfälle aber brächten Schwerverletzte, die künstlich beatmet werden, in Lebensgefahr, warnt medico. Im gesamten Gaza-Streifen fehlten zahlreiche Medikamente, medizinische Hilfsmittel wie Spritzen und Einweghandschuhe und viele Labormaterialien. Großer Mangel herrsche auch an Blutkonserven.

Die beiden größten Krankenhäuser im Gaza-Streifen, die Schifa-Klinik in Gaza-Stadt und das Europäische Krankenhaus in Chan Junis im Süden, haben zudem zu wenig Betten, weshalb manche Patienten sich ein Lager teilen müssen oder leichter Verwundete auf Böden in den Fluren liegen. Wegen des Bettenmangels werden Krebs- und Herzkranke nach Hause geschickt und Schwangere an private Kliniken des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge verwiesen.

Nach Angaben des Leiters des Schifa-Krankenhauses, Hassan Chalaf, ist die Mehrzahl der Verwundungen auf direkte Angriffe oder Granatsplitter zurückzuführen oder durch Schockwellen verursacht worden. Viele Patienten litten an Kopf- und Halswirbelverletzungen. In den zwölf Operationssälen werde seit Samstag rund um die Uhr operiert.

Entbindungsstationen zu OP-Räumen umfunktioniert

Inzwischen habe man auch vier Entbindungsstationen zu OP-Räumen umfunktioniert, um der Masse an Verletzten Herr zu werden. Für die Toten gebe es keinen Platz mehr in den Leichenhallen. Im Europäischen Krankenhaus von Chan Junis können nach Angaben des Chefarztes Zaki Zakzouk nicht alle schwerverletzten Patienten an Beatmungsmaschinen angeschlossen werden, so dass manche Patienten manuell beatmet werden müssten, mitunter mit Hilfe von Familienangehörigen.

Beide Krankenhauschefs kritisieren, dass Israel und Ägypten nur sporadisch den Transport von Schwerverletzten in besser ausgestattete Krankenhäuser in Kairo oder Tel Aviv ermöglichten. Im Schifa-Krankenhaus liegen nach Angaben des Chefarztes Chalaf 14 bewusstlose Patienten in einer lebensbedrohlichen Situation. Wenn sie nicht innerhalb der kommenden Stunden in andere Krankenhäuser verlegt werden könnten, seien sie in großer Gefahr.

Viele Patienten werden nach Angaben der Israelischen Vertretung der "Ärzte ohne Grenzen" Beine oder Arme verlieren, wenn sie nicht umgehend ausreichend medizinisch versorgt werden. Zwar hätten mehrere Kliniken im Großraum von Tel Aviv zugesagt, die Kranken behandeln zu wollen. Doch der Transport scheitere daran, dass Israel auf einer Übernahme der Kosten durch die Palästinensische Autonomiebehörde bestehe. Die Autonomiebehörde in Ramallah im Westjordanland aber weigere sich, die Aufwendungen für die Krankentransporte zu übernehmen, weil die Patienten durch Israels Luftwaffe verletzt worden seien.

© SZ vom 02.01.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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