Krieg in Libyen:Bundesregierung soll doch Libyen-Einsatz erwägen

Lesezeit: 3 min

Die Situation in Libyen ist dramatisch: Die Aufständischen bitten um mehr Hilfe. Die Bundesregierung denkt nun doch darüber nach, die Bundeswehr nach Libyen zu schicken.

Die Bundesregierung soll einem Zeitungsbericht zufolge nun doch eine Beteiligung der Bundeswehr an dem Libyen-Einsatz in Erwägung ziehen. Nach Informationen des Tagesspiegels geht es dabei um die militärische Sicherung von Hilfsaktionen für die libysche Bevölkerung. Die Europäische Union bereite derzeit einen solchen Einsatz vor.

Die Frontlinie bei Brega: Regierungsnahe Truppen bombardieren die Stellungen der Rebellen. Bei Luftangriffen der Nato nahe der Ölstadt sind erneut Aufständische ums Leben gekommen. (Foto: AFP)

Schiffe der Deutschen Marine könnten den Transport von Hilfsgütern begleiten, berichtet das Blatt unter Berufung auf Regierungskreise.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) bekräftigte am Donnerstag in Berlin die Bereitschaft Deutschlands, sich an einer humanitären Libyen-Mission der Europäischen Union zu beteiligen. Wenn es eine entsprechende Anfrage der Vereinten Nationen geben sollte, "dann werden wir uns unserer Verantwortung natürlich nicht entziehen", sagte er dem Fernsehsender N24. Dabei würde es um medizinische Versorgung und die Sicherung von Flüchtlingstransporten gehen.

Über eine Beteiligung der Bundeswehr an einer solchen Mission müsste der Bundestag entscheiden. Bei Kampfeinsätzen in und um Libyen will Deutschland, das sich bei der Abstimmung im UN-Sicherheitsrat über die Libyen-Resolution enthalten hatte, weiterhin nicht mitmachen.

Der Krieg in Libyen geht derweil in unverminderter Härte weiter: Luftangriffe der Nato haben offenbar erneut libysche Rebellen an der Front getroffen. Mehrere Panzer der Aufständischen seien offenbar von Bombardements der Allianz zerstört worden, berichteten Milizionäre, die auf der Flucht von ihrem Aufenthaltsort vor der Ölstadt Brega in Richtung Adschdabija im Osten des Landes waren.

Dutzende Fahrzeuge hätten die Frontlinie an diesem Donnerstag fluchtartig verlassen, darunter Rettungswagen und mit Waffen ausgestattete Fahrzeuge der Rebellen. Die Nato kündigte eine Untersuchung der Vorwürfe an. Am Samstag waren bei einem Nato-Luftangriff im Osten Libyens 13 Kämpfer der Opposition ums Leben gekommen.

Am Rande der Gefechte nahe der Öl-Stadt Brega sollen außerdem vier Journalisten von Gaddafis Soldaten verschleppt worden sein: Dabei handle es sich um einen freien Mitarbeiter der Fotoagentur epa, zwei US-Journalisten und einen südafrikanischen Kollegen. Die vier hatten von Bengasi aus gearbeitet, der von den Aufständischen kontrollierten Metropole Ostlibyens.

Elitesoldaten sollen Rebellen trainieren

Das Vorgehen der libyschen Rebellen bei ihren Kämpfen ist häufig chaotisch. Das will Großbritannien nun ändern: Der Guardian meldet, dass die libyschen Kämpfer Training von ehemaligen britischen Elitesoldaten erhalten sollten. Die Zeitung beruft sich dabei auf Informationen von ranghohen Beamten aus dem Verteidigungsministerium. Demnach sollten dafür auch private Sicherheitsfirmen angeheuert werden. Auch arabische Länder sollten bei dem Training helfen. Eine solche militärische Ausbildung sei auch von dem UN-Mandat gedeckt, heißt es in dem Bericht. Großbritannien beruft sich auf die Passage, wonach "alle nötigen Mittel" eingesetzt werden dürften, um die Zivilbevölkerung zu schützen.

Die Ankündigung kommt offenbar als Reaktion auf die Vorwürfe libyscher Rebellenführer, wonach die Luftangriffe der Nato nicht schnell genug ausgeführt würden, um den Gaddafi-Truppen zu schaden. Großbritannien argumentierte, der Krieg könne nicht aus der Luft gewonnen werden.

Aufgrund der heftigen Gefechte um die libysche Stadt Misrata hatten die Vereinten Nationen einen zumindest vorübergehenden Waffenstillstand gefordert: "Wir brauchen ein zeitweiliges Ende der Feindseligkeiten in der Region, damit die Menschen sich selbst und ihre Familien in Sicherheit bringen können, falls sie dies tun wollen", sagte die UN-Nothilfekoordinatorin Valerie Amos in New York.

Die Aufständischen hatten mit dramatischen Hilferufen um eine Befreiung der Menschen aus der belagerten und heftig umkämpften Stadt gebeten: Seit mehr als 40 Tagen seien die Einwohner von Truppen Muammar al-Gaddafis eingeschlossen, ohne medizinische Versorgung oder Wasser und Strom, saget der Militärchef der Rebellen und frühere Innenminister Abdulfattah Junis. "Misrata droht die Vernichtung", warnt Junis. Eine Sprecherin des Übergangsrates des Aufständischen, sagt: "Was in Misrata passiert, ist eine Katastrophe." Eine Kampfpause soll den Menschen die Gelegenheit zur Flucht geben.

Auch US-Außenministerin Hillary Clinton forderte den libyschen Machthaber Gaddafi auf, die Waffen schweigen zu lassen. Seine Truppen müssten sich unverzüglich aus den Städten zurückziehen, die sie gewaltsam und unter Verlust vieler Menschenleben eingenommen hätten, sagte Clinton. Es führe kein Weg daran vorbei, dass Gaddafi die Macht abgebe und das Land verlasse.

Heftig umkämpfte Ölfelder

Unterdessen warf das Gaddafi-Regime Großbritannien Angriffe auf das größte Ölfeld des Landes vor. Der stellvertretende libysche Außenminister Chaled Kaim sagte, britische Luftangriffe hätten das Ölfeld Sarir beschädigt sowie drei Wachmänner und weitere Arbeiter getötet. Außerdem sei eine Pipeline beschädigt worden, die das Ölfeld Sarir mit dem Hafen Hariga verbindet, sagte Kaim weiter. Der Angriff verstoße gegen internationales Recht und sei nicht durch die UN-Resolution gedeckt, kritisierte er. Rebellen widersprachen dieser Darstellung und erklärten, Gaddafi-Truppen hatten das Ölfeld angegriffen. Eine Stellungnahme des britischen Verteidigungsministeriums lag zunächst nicht vor.

Derweil kämpfen Gaddafi-Truppen und Rebellen auch um die Vorherrschaft über die Ölfelder im Hinterland. Gefechte wurden von den Feldern Sarir, Misla und aus der Region Waha gemeldet. Sie liegen im Osten des Landes, der weitgehend in der Hand der Rebellen ist. Die Aufständischen erklärten, alle drei Ölfelder seien mit Artillerie beschossen worden.

Wie am Donnerstag bekannt wurde, wird die neu gegründete internationale Libyen-Kontaktgruppe erstmals am kommenden Mittwoch zusammenkommen, um das weitere Vorgehen im Konflikt mit Gaddafi abzustimmen. Das Treffen solle in Katar stattfinden, teilte das britische Außenministerium mit. An dem Treffen sollen unter anderem die USA, Großbritannien und auch die Arabische Liga teilnehmen. Die Kontaktgruppe war während eines Treffens in London gegründet worden, um den internationalen Militäreinsatz in Libyen politisch zwischen den beteiligten Nationen zu koordinieren.

© dapd/dpa/Reuters/AFP/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: