Den Posten, der Gerhard Schröder angeboten wurde, hat der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz sehr wolkig als "Job in der Privatwirtschaft" beschrieben. Mit Privatwirtschaft hat Rosneft allerdings etwa so viel gemeinsam wie mit einem Holzfäller - beide sind irgendwie in der Energieindustrie tätig. Nur dass Rosneft der größte börsennotierte Ölkonzern der Welt ist. Der russische Staat hält 50 Prozent der Anteile, British Petroleum (BP) knapp 20, zum Jahreswechsel erwarben ein Staatsfonds aus Katar und der Rohstoffhändler Glencore mit Sitz in der Schweiz ebenfalls einen großen Anteil. Die übrigen Aktien werden an den Börsen in Moskau und London gehandelt.
Über die Besetzung der Konzernführung bestimmt indes die russische Regierung - und damit auch über die Firmenpolitik.
Die Nominierung Schröders für einen Posten als "unabhängiger Direktor" im Board von Rosneft - vergleichbar einem Sitz im Aufsichtsrat - erfolgte daher auch offiziell über ein Dekret von Regierungschef Dmitrij Medwedjew. Dem Board gehört unter anderem BP-Chef Robert Dudley an. Anders als Gazprom ist Rosneft in politischen Konflikten mit Nachbarländern und mit Westeuropa bisher wenig in Erscheinung getreten. Engagements in der jüngsten Zeit zeigen jedoch, dass auch hier Wirtschaft und Politik des Kremls schwer auseinanderzuhalten sind. So gewährte der Konzern gerade dem bedrängten Regime in Venezuela einen Kredit über sechs Milliarden Dollar, obwohl Analysten die hohe Schuldenlast des Unternehmens selbst schon lange mit Sorge sehen. Rosneft engagiert sich ebenfalls in Libyen, Ägypten und im Irak.
Der mächtige Konzernchef hat in Russland den Spitznamen "Darth Vader"
Bei der Eröffnung einer neuen Niederlassung in Berlin kündigte Konzernchef Igor Setschin im Mai an, die Investitionen in Deutschland zu verdoppeln, auf 600 Millionen in den nächsten fünf Jahren. Unter anderem solle die Pipeline Druschba ausgebaut werden bis zu den Raffinerien Miro in Karlsruhe und Bayernöl im oberbayerischen Vohburg, an denen Rosneft beteiligt ist. Derzeit wird dort Rohöl aus Nordafrika verarbeitet, das über Italien transportiert wird. An der Raffinerie PCK im brandenburgischen Schwedt hält Rosneft 54 Prozent. Der Konzern ist damit die Nummer drei bei der Mineralölverarbeitung in Deutschland.
Ein Viertel der deutschen Rohölimporte kommt von Rosneft. Selbst unter den großen russischen Staatsunternehmen hat Rosneft eine Sonderstellung, die es seinem einflussreichen Chef Igor Setschin verdankt. Der 56-Jährige war wie Wladimir Putin für den sowjetischen Geheimdienst KGB im Auslandseinsatz. Seit Putins Tagen in der Stadtverwaltung von Sankt Petersburg weicht Setschin nicht von seiner Seite. Als Putin Vizebürgermeister war, war Setschin sein Büroleiter. Nach dem Umzug nach Moskau wurde er Vizechef der mächtigen Kreml-Verwaltung, zuständig für Energiefragen. Während Putins Zwischenspiel als Premier war Setschin Vizepremier. In dieser Zeit wuchs Rosneft von einem kleinen Verwalter für die Reste der noch nicht privatisierten sowjetischen Ölindustrie zum größten Ölkonzern das Landes. Mit Hilfe von Justiz und Geheimdienst wurden Konkurrenten in den Ruin getrieben, enteignet und zerschlagen. 2003 kam Michail Chodorkowskij für zehn Jahre ins Lager, die Reste seines Yukos-Konzerns landeten bei Rosneft.
Eingedenk dieses Beispiels verzichtete der Unternehmer Wladimir Jewtuschenkow 2014 lieber freiwillig auf sein Unternehmen Bashneft; vergangenes Jahr wurde es Rosneft zugeschlagen, Jewtuschenkow kam mit Hausarrest davon. Aber gerade fordert Rosneft zusätzlich 2,5 Milliarden Euro Schadenersatz und droht damit Jewtuschenkos Mischkonzern Sistema in den Ruin zu treiben. Anfang der Woche eröffnete ein Moskauer Gericht den Prozess gegen den ehemaligen Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew, der sich gegen den Verkauf von Bashneft an Rosneft gestellt hatte. Die Ermittler werfen ihm vor, er habe Setschin erpresst. Eine unwahrscheinliche Vorstellung, gilt Setschin doch als zweitmächtigster Mann nach Putin, noch vor dem Premier.
David erpresst Goliath? Seine Macht hat Setschin in Russland den Spitznamen "Darth Vader" eingebracht.
Sollte er den neuen Job Ende September bekommen, dürfte Schröder auch mit Leuten wie Oleg Feoktistow zusammenarbeiten müssen. Der General des Geheimdienstes FSB wurde im Sommer 2016 Vizepräsident und Chef des internen Sicherheitsdienstes, im März verließ er das Unternehmen wieder. Es war die Zeit, in der in der Regierung darüber gestritten wurde, wer die verstaatlichten Anteile von Bashneft übernehmen darf. Feoktistow soll die Operation geleitet haben, die den Wirtschaftsminister vor Gericht brachte. "Herr Setschin, gibt es irgendjemanden in Russland, der keine Angst vor Ihnen haben muss?", fragten deutsche Journalisten, als der Rosneft-Chef im Mai eines seiner seltenen Interviews gab. "Das habe ich mich auch schon gefragt", war die Antwort.