Konflikte:Report: Simferopol und Heidelberg - zwei ungleiche Partner

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Heidelberg (dpa) - Die beiden Städte könnten unterschiedlicher kaum sein: Auf der einen Seite das Schmuckkästchen Heidelberg, mit Schloss und Philosophenweg beliebt bei Touristen aus aller Welt. Schicke, sanierte Häuser, hohe Mieten, kaum sichtbare Armut.

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Heidelberg (dpa) - Die beiden Städte könnten unterschiedlicher kaum sein: Auf der einen Seite das Schmuckkästchen Heidelberg, mit Schloss und Philosophenweg beliebt bei Touristen aus aller Welt. Schicke, sanierte Häuser, hohe Mieten, kaum sichtbare Armut.

Auf der anderen Seite Simferopol, Krim-Hauptstadt seit 1995: Für Touristen ist sie meist nur eine Durchgangsstadt auf dem Weg zum Meer. Schlaglöcher, geringes Durchschnittseinkommen, an vielen Häusern bröckelt der Putz. Trotz ihrer Unterschiede sind Heidelberg und Simferopol seit 23 Jahren Partnerstädte. In der Krim-Krise schauen die Heidelberger mit gemischten Gefühlen gen Osten.

„Die Städte passen überhaupt nicht zueinander“, sagt die Vorsitzende des Freundeskreises Heidelberg-Simferopol, Magdalena Melter, und lacht. „Ein Flüsschen fließt durch die Stadt, das ist wohl das einzige, was uns verbindet. Aber da ist viel weniger Wasser drin als im Neckar.“ Den Freundeskreis gibt es fast genauso lange wie die Städtepartnerschaft. Er organisiert zum Beispiel Spendenaktionen für die Krim und Transporter, die gebrauchte Ultraschallgeräte und OP-Lampen aus Heidelberger Kliniken nach Simferopol bringen, wie die 71-Jährige erzählt. „Es könnte sein, dass sie dort in Zukunft weniger Hilfe brauchen. Dann können wir uns auf andere Dinge konzentrieren.“

Die Russischlehrerin und gebürtige Polin freut sich über den Ausgang des umstrittenen Referendums für einen Anschluss der Schwarzmeerhalbinsel an Russland. „Ich teile die Euphorie der Menschen. Ich sehe, wie sie darunter leiden, dass ihre Sprache unterdrückt wird. Sie sehnen sich seit über 20 Jahren nach dem Anschluss.“ Die Menschen, zu denen sie Kontakt habe, feierten auf den Straßen. Die Arbeit des Freundeskreises sieht sie durch die politischen Veränderungen nicht gefährdet. „Da habe ich überhaupt keine Bedenken, dass es weiter so läuft wie bisher.“

Albrecht Metter hat eine ganz andere Sicht auf die Dinge. Er ist Geschäftsführer des IT-Dienstleisters Ameria mit Sitz in Heidelberg und Simferopol. Die meisten seiner rund 70 Mitarbeiter dort seien zwar Russen, lehnten einen Anschluss der Krim an Russland aber mehrheitlich ab, sagt der 35-Jährige.

Dem Ausgang des Referendums traut er nicht. „Das kann nur durch sehr starken Wahlbetrug so gekommen sein. Selbst mit der russischen Propaganda kann ich mir nicht vorstellen, dass es mehr als 40 bis 45 Prozent sind.“ Die zur Ukraine gehörende Krim will Russland beitreten: Nach Angaben der Wahlkommission stimmten rund 97 Prozent für die Angliederung. „Ich prüfe, ob wir mit dem Unternehmen nach Kiew gehen“, sagt Metter. Einige seiner Mitarbeiter hat er vergangene Woche bereits dorthin verlegt.

„Wir befürchten, dass wir für unsere klare pro-westliche Haltung nun die Quittung bekommen“, sagt er. Die Stimmung in Simferopol sei stark angespannt. Viele seiner pro-westlichen Mitarbeiter trauten sich nicht mehr, ihre Wohnung zu verlassen. „Draußen spricht niemand mehr am Telefon Englisch, dafür wird man heute angegriffen.“

Die große Politik steht nicht im Mittelpunkt, wenn Schüler der Internationalen Gesamtschule Heidelberg mit ihren Freunden in Simferopol skypen, wie Lehrerin Dagmar Rühl erzählt. In dem einen Jahr geht es für rund zehn baden-württembergische Jugendliche auf die Krim, im anderen Jahr kommen etwa zwölf Schüler aus Simferopol an den Neckar. Für Juni haben sich die nächsten Besucher in Heidelberg angesagt. Rühl ist trotz der politischen Turbulenzen zuversichtlich. „Meine Kollegin dort sagt: Macht euch keine Gedanken, das klappt.“

Die Internationale Gesamtschule war es auch, die vor mehr als 20 Jahren den Anstoß gab für die Städtepartnerschaft. Zwei Lehrerinnen einer Friedensgruppe und eine Stadträtin hätten 1990 eine Partnerschaft mit einer Schule in der Sowjetunion gewollt, erinnert sich der damalige Schulleiter Ernst Gund. „Als die Sowjetunion zerfiel und ausgerechnet die Krim dann ukrainisch wurde, war das an unserer Schule ein richtiger Schock.“ Wegen der Schulpartnerschaft habe die Städtepartnerschaft nahe gelegen, erzählt Gund.

Oberbürgermeister Eckart Würzner (parteilos) will keine politische Einschätzung abgeben, wohl aber ein Bekenntnis zur Krim: Heidelberg habe die Städtepartnerschaft gewollt, um das Denken in Machtblöcken zu überwinden. „Wir wollen als Freunde dazu beitragen, dass Verständigung und Ausgleich möglich bleiben.“

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