Konflikte:Fragen & Antworten: Kein Schutz gegen Raketenangriffe

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Berlin (dpa) - Noch ist es nicht ganz klar, aber die Hinweise verdichten sich: Das malaysische Passagierflug mit der Flugnummer MH 017 ist sehr wahrscheinlich mit einer Rakete über der Ostukraine abgeschossen worden. US-Geheimdienste gehen nach Angaben von CNN von einem Angriff der prorussischen Separatisten aus.

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Berlin (dpa) - Noch ist es nicht ganz klar, aber die Hinweise verdichten sich: Das malaysische Passagierflug mit der Flugnummer MH 017 ist sehr wahrscheinlich mit einer Rakete über der Ostukraine abgeschossen worden. US-Geheimdienste gehen nach Angaben von CNN von einem Angriff der prorussischen Separatisten aus.

Welche Art von Raketen benötigt man, um ein Flugzeug in 10 000 Metern Höhe abzuschießen?

In eine solche Höhe gelangt man nur mit größeren Raketen, die von einer Abschussrampe starten. „Das sind keine kleinen Raketen, die sie von der Schulter schießen“, sagt der Raketenexperte Karl Josef Dahlem von MDBA, einem der weltweit größten Raketenproduzenten. Die russischen und ukrainischen Streitkräfte verfügen über Luftabwehrsysteme vom Typ „Buk“ (deutsch: Buche), die Ziele in 45 Kilometern Entfernung und 25 Kilometern Höhe treffen können. Die Raketen sind etwa 5,50 Meter lang und 600 Kilogramm schwer.

Können die Systeme von Laien nach kurzer Einweisung bedient werden?

Nein. Dafür muss man einen Lehrgang über mehrere Monate absolvieren. Außerdem ist eine Truppe von etwa 20 Mann nötig, um ein solches Luftabwehrsystem zu bedienen. „Buk“-Staffeln vom Typ M1 bestehen aus einem Fahrzeug mit Überwachungsradar, einem Kommandofahrzeug und mehreren fahrbaren Abschussrampen. Es war also sicher kein Einzeltäter am Werk, sondern ein fachkundiges Team. Deswegen sei es auch schwer vorstellbar, dass prorussische Rebellen ohne einschlägige Ausbildung das Flugzeug mit einem erbeuteten Raketen-System abgeschossen haben, „Es sei denn, eine ganze Bedienmannschaft ist komplett übergelaufen.“

Kann es sein, dass das Flugzeug versehentlich abgeschossen wurde?

Das ist extrem unwahrscheinlich. Wenn das Radargerät den Kontakt zur Rakete verliert, findet diese ihr Ziel nicht mehr. Bei manchen Systemen zerstören sich die Raketen sogar selbst, sobald die Verbindung zur Bodenstation abbricht. Anders wäre es bei sogenannten „Fire and Forget“-Raketen, die einem Wärmesignal folgen. Diese Raketen gelangen aber nicht in 10 000 Meter Höhe.

Wurde das Passagierflugzeug möglicherweise mit einer militärischen Transportmaschine verwechselt?

Das ist möglich, aber auch unwahrscheinlich. Die militärischen Transportmaschinen in der Ukraine fliegen in der Regel in maximal 6000 Metern Höhe, weil sie relativ kurze Distanzen überwinden. Außerdem erkennt eine Luftabwehr normalerweise, ob sie ein ziviles oder militärisches Flugzeug auf dem Radar hat. Über eine spezielle Antenne können entsprechende Codes empfangen werden. Um sie genau zu entziffern, müssen aber die zivilen Flugpläne vorliegen. Das war bei dem mutmaßlichen Abschuss in der Ukraine möglicherweise nicht der Fall.

Haben US-Streitkräfte den Abschuss beobachtet und die Raketenrampe lokalisiert?

Davon kann man ausgehen. „Im Schwarzen Meer befinden sich US-Schiffe, die mit Radargeräten den Luftraum über der Ukraine überwachen können“, sagt Dahlem. Die aufsteigenden Raketen könnten von dort aus bis auf ungefähr einen Kilometer genau geortet werden. Der Abschuss dürfte auch auf Bildern von US-Satelliten zu sehen gewesen sein.

Ist das Flugzeug noch in der Luft explodiert oder erst am Boden zerschellt?

Die Raketen explodieren in der Regel in etwa zehn Metern Entfernung vom Zielobjekt, das dann von den Splittern getroffen und zum Absturz gebracht wird. Das Flugzeug dürfte also erst durch den Aufprall komplett zerstört worden sein.

Haben Passagiermaschinen Schutzvorrichtungen gegen Raketenangriffe?

Nur ganz wenige - beispielsweise israelische Linienmaschinen oder der Regierungsflieger von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Raketenabwehrsysteme erkennen Bedrohungen und stoßen dann kleine Leuchtfackeln (Flares) aus. Diese sollen die Raketen ablenken. „Die helfen aber auch nicht gegen jede Bedrohung“, sagt Dahlem. Außerdem liege der Anteil der Passagiermaschinen mit einem solchen Schutz schätzungsweise bei weniger als einem Prozent.

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