Konflikte:Erdogan: EU-Parlamentsbeschluss zu Beitritt ist wertlos

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Aus Sicht von Präsident Erdogan hat die anstehende Abstimmung „keinen Wert“. (Foto: Tatyana Zenkovich)

Istanbul (dpa) - Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan misst der bevorstehenden Abstimmung im EU-Parlament über ein Einfrieren der Beitrittsgespräche mit seinem Land keinerlei Bedeutung bei.

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Istanbul (dpa) - Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan misst der bevorstehenden Abstimmung im EU-Parlament über ein Einfrieren der Beitrittsgespräche mit seinem Land keinerlei Bedeutung bei.

„Ich rufe allen, die uns vor den Bildschirmen zusehen, und der ganzen Welt zu: Egal wie das Resultat ausfällt, diese Abstimmung hat für uns keinen Wert“, sagte Erdogan bei einer Wirtschaftskonferenz islamischer Staaten in Istanbul. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kritisierte Erdogans Politik bei einer Ansprache im Bundestag scharf, sprach sich aber gegen einen Abbruch der Kontakte aus.

Die größten Fraktionen im Europaparlament einigten sich darauf, ein „vorübergehendes Einfrieren“ der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei zu fordern. „Das heißt, wir hören auf, über offene Verhandlungskapitel zu sprechen, und öffnen keine neuen“, sagte die Türkei-Berichterstatterin des Europaparlaments, Kati Piri. Über die Resolution soll an diesem Donnerstag abgestimmt werden. Die EU-Kommission, die die Verhandlungen führt, ist nicht daran gebunden.

Erdogan sagte: Alleine dass das Europaparlament sich an so eine Abstimmung macht, ist Ausdruck dafür, dass es Terrororganisationen in Schutz nimmt und sich an deren Seite stellt, sagte Erdogan. Er kritisierte erneut, die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK könne in der EU ungehindert agieren. „Ohnehin laufen im Moment in vielen europäischen Ländern Terroristen frei herum. Viele europäische Länder helfen Terroristen und gewähren ihnen Unterschlupf.“ Entsprechende Vorwürfe hatte Erdogan zuvor besonders an Deutschland gerichtet.

Merkel wies diese Beschuldigungen zurück. Die Bundesregierung sei genauso wie jeder in Europa dem Kampf gegen Terrorismus verpflichtet. Die Kanzlerin fügte hinzu, die Einschränkung der Pressefreiheit und die Verhaftung von Abertausenden von Menschen seien nicht zu rechtfertigen. „Insofern müssen wir das deutlich kritisieren.“ Zugleich werbe sie aber dafür, den Gesprächsfaden mit der Regierung in der Türkei nicht abreißen zu lassen. „Das schließt aber nicht aus, dass das, was alarmierend zu sehen ist, klar angesprochen wird.“

Die PKK ist auch in der EU als Terrororganisation eingestuft. Erdogan wies Kritik aus der EU an den Massenfestnahmen und Entlassungen in der Türkei nach dem Putschversuch Mitte Juli zurück. „Bis heute haben wir unzählige Male gezeigt, dass wir mehr als viele Mitgliedsstaaten für die Werte der Europäischen Union eintreten.“ Erdogan hatte kürzlich von der EU eine Entscheidung über einen Abbruch der Beitrittsverhandlungen bis zum Ende des Jahres gefordert und andernfalls ein Referendum über deren Fortsetzung angekündigt.

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann warf Erdogan eine systematische Aushöhlung der Demokratie vor. Wer Richter, Staatsanwälte, Journalisten und Oppositionsabgeordnete ins Gefängnis stecke, „zerstört die Demokratie, auch die moderne Türkei“, sagte Oppermann im Bundestag. „Dazu darf Europa nicht schweigen.“ Sollte die Türkei die Todesstrafe einführen, wäre das das Ende der EU-Beitrittsverhandlungen: „Da darf es kein Vertun geben.“

Nach dem Resolutionsentwurf des Europaparlaments sollen die EU-Beitrittsgespräche bei einer Wiedereinführung der Todesstrafe formal suspendiert werden. Im Gegensatz zum bloßen Einfrieren der Gespräche würde dies bedeuten, dass die Mitgliedstaaten einstimmig über eine Wiederaufnahme der Verhandlungen entscheiden müssten, sagte Piri. „Das käme einem Ende des Beitrittsprozesses gleich.“

Sobald Ankara den Ausnahmezustand aufgehoben hat, wollen die Abgeordneten neu bewerten, ob das Land zu Rechtsstaatlichkeit und Achtung der Menschenrechte zurückgekehrt ist. Der von Erdogan in Folge des Putschversuches verhängte und bereits einmal verlängerte Ausnahmezustand gilt noch mindestens bis Mitte Januar.

Erdogan nahm am Mittwoch außerdem den künftigen US-Präsidenten Donald Trump gegen Kritiker aus Europa und den USA in Schutz. Trump sei unter anderem bei Demonstrationen in Europa als „Diktator“ bezeichnet worden, kritisierte Erdogan. „Wenn sie jemanden einen Diktator nennen, dann ist dieser meiner Ansicht nach gut.“ Er warf der EU außerdem vor, das Ergebnis der US-Wahl nicht zu respektieren.

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