Konflikte:Analyse: Sechs Gründe, warum der Irak zerfällt

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Berlin (dpa) - Der Irak wird von Dschihadisten überrannt und von einem zunehmend hilflosen Ministerpräsidenten regiert. Die Welt beobachtet mit Sorge, wie das Land zerfällt - viele der Probleme sind hausgemacht.

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Berlin (dpa) - Der Irak wird von Dschihadisten überrannt und von einem zunehmend hilflosen Ministerpräsidenten regiert. Die Welt beobachtet mit Sorge, wie das Land zerfällt - viele der Probleme sind hausgemacht.

1. Die USA hinterließen ein Land in Unruhe

Die USA haben nach Einschätzung von Experten zwei Fehler gemacht: Sie marschierten wegen vermeintlicher Beweise für die Produktion von Massenvernichtungswaffen in den Irak ein - und zogen dann zu früh wieder ab. So klar das Ziel war, Saddam Hussein zu stürzen - übrig blieb eine ethnisch und religiös zersplitterte Bevölkerung. Auf die „Operation Iraqi Freedom“ folgte blutige Gewalt zwischen Sunniten und Schiiten. Den erbte die hoffnungslos überforderte irakische Armee nach dem Abzug der US-Truppen 2011.

2. Al-Maliki hat versäumt, das Land zu einen

Der Schiit Nuri al-Maliki führt den Irak seit acht Jahren als Ministerpräsident - und wirkt dabei zunehmend eigenwillig und hilflos. Mit den autonomen Kurden im Norden ist er im Dauerstreit, die Sunniten im Westen und Süden fühlen sich unterdrückt. Statt das Volk zu versöhnen, installierte Maliki seine Minister nach persönlichen Interessen und schuf eine Elitearmee aus schiitischen Soldaten.

3. Isis wird vielerorts als geringeres Übel akzeptiert

Die Arroganz, mit der die irakischen Truppen geführt werden, ebnete den Weg für die Isis-Kämpfer. 800 000 irakische Soldaten versagen vor vielleicht 10 000 Extremisten: Die sunnitischen Soldaten wollten laut Sicherheitsexperten ihren Kopf nicht für Al-Maliki hinhalten, die schiitischen Soldaten wurden in Bagdad zusammengezogen. Auch Teile der sunnitischen Bevölkerung schauten dem Isis-Durchmarsch schweigend zu.

4. Das Vermächtnis des Arabischen Frühlings

Die Iraker beobachteten den Arabischen Frühling 2011 mit stillem Interesse. Weniger, weil sie selbst von einer Revolution träumten, sondern um zu sehen, welche Folgen der Zusammenstoß von Aktivisten und Despoten für die Region hat. Isis ist ein Kind des Irakkriegs (2003-2011) und wurde im syrischen Bürgerkrieg groß. Dass die Isis nun wieder in den Irak zurückkehrt, ist auch ein Ergebnis gescheiterter Bemühungen um mehr Demokratie.

5. Der Irak leidet an historischen Verfehlungen

Die konfessionellen Grabenkämpfe im Irak gehen zurück auf jahrhundertealte Hoheitsansprüche: Arabische Sunniten aus Saudi-Arabien, persische Schiiten aus dem Iran und türkische Sunniten buhlen um Einfluss in der Region - und formten zwischen Euphrat und Tigris einen multiethnischen Schmelztiegel. Dieser wurde zerrissen, als Engländer und Franzosen 1916 willkürliche Grenzen in die Wüste zogen. Schiiten, Sunniten und Kurden fühlten sich um ihre regionale Identität betrogen - Isis will diese Grenzen nun wieder sprengen.

6. Die Kurden wittern ihre Chance auf Unabhängigkeit

Die Kurden waren im Spiel der Mächte immer der Verlierer. Erst mit der US-Invasion 2003 konnten sie eine Autonomieregion im Nordirak errichten. Allerdings leben viele Kurden in den irakischen Städten Mossul und Kirkuk südlich der Grenze. Als diese Städte nun von irakischen Soldaten verlassen und von Isis-Kämpfern bedroht wurden, stieß die kurdische Peschmerga-Armee in das Vakuum vor. Sie will ihre Eroberung - immerhin der ölreichste Landstrich des Iraks - nicht wieder an Bagdad zurückgeben.

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