Konflikt im Jemen:Stellvertreterkrieg in Arabiens Armenhaus

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Ein Panzer der Regierungstruppen auf dem Luftwaffenstützpunkt Al-Annad. Huthi-Milizen haben den strategisch wichtigen Stützpunkt jetzt eingenommen. (Foto: AFP)
  • Truppen der schiitischen Huthi-Miliz rücken weiter in Richtung Aden vor. Die Rebellen nehmen einen wichtigen Luftwaffenstützpunkt in der Nähe der Hafenstadt ein.
  • Der Verbleib des jemenitischen Präsidenten Hadi ist unklar. Berichte, er habe das Land verlassen, werden von hochrangigen Militärs dementiert.
  • Saudi-Arabien zieht Truppen und schwere Waffen an der Grenze zum Jemen zusammen. Ob das Königreich plant, in den Konflikt im Nachbarland einzugreifen oder nur seine eigene Grenze sichern will, ist unklar.
  • Das Land droht, in einen offenen Bürgerkrieg abzugleiten. Die vorrückende Huthi-Miliz wird offenbar von Getreuen des Ex-Präsidenten Saleh unterstützt und erhält wohl Waffen aus Iran.

Von Paul Anton-Krüger

Al-Annad ist der größte Luftwaffenstützpunkt in Jemen. Was sich dort in den vergangenen fünf Tagen zugetragen hat, macht deutlich, wie volatil die Lage in dem Land ist und wie schnell die Krise voranschreitet: Drei Mal wechselte in dieser Zeit die Kontrolle über eine der wichtigsten militärischen Einrichtungen des Landes. Am Sonntag hatten Al-Qaida-Kämpfer das Gelände attackiert und vorübergehend eingenommen, von dem aus lange 100 amerikanische Soldaten einer Spezialeinheit die Regierung im Kampf gegen das Terrornetzwerk unterstützt hatten. Die Regierungstruppen schlugen den Angriff auf den Fliegerhorst zurück. Er liegt nur 40 Kilometer von Aden entfernt, wohin sich der international anerkannte Präsident Abd Rabbo Mansur Hadi geflüchtet hat.

In der Nacht zum Mittwoch übernahmen nun dessen Widersacher den Flugplatz - die von Iran unterstützte schiitische Huthi-Miliz. Damit verlor Hadi vermutlich den letzten Zugriff auf die Luftwaffe des Landes, wichtiger Faktor im militärischen Kräfteverhältnis.

Ex-Präsident Saleh hat sich mit den Huthis verbündet

Panzer setzten sich Richtung Aden in Bewegung; Einheiten des Militärs, die loyal zu Hadis Vorgänger sind, dem im Februar 2012 gestürzten Präsidenten Ali Abdulla Saleh, sollen den Vormarsch unterstützen. Saleh hat sich mit den Huthis verbündet.

Quellen in Jemens zweitgrößter Stadt berichten, dass Schulen geschlossen und Mitarbeiter staatlicher Institutionen nach Hause geschickt wurden. Die Bürger, überwiegend Sunniten, würden sich bewaffnen - klares Zeichen, dass in Aden mit einem Angriff der Huthis gerechnet wird.

Widersprüchliche Angaben über Hadis Aufenthaltsort

Am Mittwochvormittag tauchten Meldungen auf, Hadi habe per Hubschrauber seinen Amtssitz verlassen - Ziel unbekannt. Möglicherweise versuche er, sich ins Ausland abzusetzen, um nicht den Huthis in die Hände zu fallen. Später sagte auch eine Sprecherin des US-Außenministeriums, dass Hadi Aden verlassen habe - freiwillig, wie die Sprecherin betonte. Mehr könne sie dazu jedoch nicht sagen. Die Rebellen haben umgerechnet 90 000 Euro für seine Ergreifung ausgesetzt, im Armenhaus Arabiens ein Vermögen. Mehrere Personen aus Hadis engerem Zirkel dementierten entschieden: "Er ist hier! Er ist hier! Er ist hier! Ich befinde mich jetzt gerade bei ihm. Er ist in seinem Palast in Aden", sagte General Ali al-Ahmadi, Chef des Büros für nationale Sicherheit, der Nachrichtenagentur Reuters am Telefon. Ähnlich äußerte sich Hadis Büroleiter. Die Aussagen ließen sich unabhängig nicht überprüfen.

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(Foto: Yahya Arhab/dpa)

Huthi-Kämpfer in Sanaa: Die bürgerkriegsähnlichen Zustände in Jemen könnten eine schwere Krise in der Region verursachen.

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(Foto: Khaled Abdullah/Reuters)

Das Land droht im konfessionellen Streit zu zerbrechen: In Sanaa werden Opfer eines Anschlags sunnitischer Extremisten auf schiitische Moscheen beerdigt.

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Demonstration gegen die Huthis in Taiz: Die Sunniten im Süden fürchten den Vormarsch der schiitischen Miliz, die den Präsidenten gestürzt hat.

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(Foto: Yahya Arhab/dpa)

Selbstmordattacken sunnitischer Terrorgruppen verstärken die Gewaltspirale: Studenten trauern um die Opfer des Moscheeanschlags.

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(Foto: Khaled Abdullah/Reuters)

Und während die Toten in der Hauptstadt begraben werden, rücken die Huthis auf Aden im Süden vor, greifen die Stadt mit Kampfflugzeugen an.

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(Foto: Hamza Hendawi/AP)

Die Menschen in Aden bewaffnen sich - und träumen von einer Abspaltung des Südens. Es gibt Anzeichen, dass Nachbar Saudi-Arabien eingreifen könnte.

In den vergangenen Tagen hatten wiederholt Kampfjets Hadis Amtssitz attackiert; auch am Mittwoch gab es Berichte, ein Flugzeug habe über dem Viertel in Aden Raketen abgefeuert. Wer dafür verantwortlich ist, war zunächst nicht klar, der Verdacht fiel aber wiederum auf Salehs Gefolgsleute im Militär.

Die bürgerkriegsähnlichen Zustände in Jemen erreichen inzwischen die Schwelle, die eine schwere Krise in der Region verursachen und ein offenes militärisches Eingreifen externer Akteure auslösen könnte. Saudi-Arabien zieht nach Angaben der US-Regierung Panzer, Artillerie und größere Militärverbände an der Grenze zu Jemen zusammen.

Der Aufmarsch dürfte auf den Schutz der Grenze und der nahen Ostprovinz ausgerichtet sein, in der sich die größten Ölvorkommen befinden. Jedoch ist der Aufbau einer solchen Verteidigungslinie auch unabdingbar, sollte Riad Luftangriffe zur Unterstützung Hadis planen oder gar eine Intervention mit Bodentruppen in dem Nachbarland vorbereiten.

Sanaa
:IS bekennt sich zu Anschlägen im Jemen

Mindestens 137 Menschen sterben bei Selbstmordattentaten auf Moscheen in Jemens Hauptstadt Sanaa. Verantwortlich soll die Terrororganisation IS sein.

Saudi-Arabien hatte die Huthis ultimativ aufgefordert, sich an Friedensgesprächen zu beteiligen. Wenn sie ihren "Putsch nicht friedlich beenden, werden wir die notwendigen Maßnahmen in dieser Krise und zum Schutz der Region ergreifen", drohte Außenminister Saud al-Faisal.

Spekulationen über Einfluss Teherans auf Huthi-Miliz

Hadi hat den UN-Sicherheitsrat am Dienstag aufgefordert, einer Militärintervention zuzustimmen, um "Jemen zu schützen und die Huthis von einer unmittelbar bevorstehenden Aggression abzuschrecken". Er habe die Mitglieder des Golf-Kooperationsrates, neben Saudi-Arabien die Vereinigten Arabischen Emirate, Kuwait, Bahrain, Katar sowie das an Jemen grenzende Sultanat Oman, um Unterstützung gebeten.

Die sunnitischen Golfstaaten verstehen ebenso wie Iran den Konflikt als Teil des Ringens um die Vorherrschaft in der Region. Hadis Verbündete sehen in den Huthis eine von Iran dominierte Kraft vergleichbar der Hisbollah in Libanon. Beweise dafür, dass Teheran die Miliz steuert, gibt es nicht.

Allerdings mischt sich das Regime zunehmend offen in den Konflikt ein. "Die Erwartung ist, dass Präsident Hadi eher zurücktreten sollte", um zu verhindern, dass "Jemen auseinanderbricht und Aden zu einem Hort für Terroristen wird", sagte Vize-Außenminister Hossein Amir Abdollahian. Iranische Flugzeuge fliegen Sanaa inzwischen regelmäßig an, was den Verdacht auf Waffenlieferungen an die Huthis nährt.

Ex-Präsident Saleh könnte versuchen, Macht wiederzuerlangen

Für Ex-Präsident Saleh könnte die Eskalation bis hin zu einem Krieg Teil des Kalküls sein: Beobachter in Sanaa vermuten, er werde versuchen, sich oder seinen Sohn als den starken Mann zu positionieren, der als einziger in der Lage ist, das Land zu befrieden.

Abrupt die Seiten gewechselt hat der von den UN mit Sanktionen belegte Saleh schon öfter, wenn es zu seinem Vorteil war. Auch gegen seine jetzigen Verbündeten, die Huthis, hat er schon Krieg geführt.

© SZ vom 26.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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