Verbunden mit heftigen Drohungen an die Adresse seiner Gegner hat der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan den Sieg seiner Partei bei den Kommunalwahlen erklärt. Vor Tausenden jubelnden Anhängern kündigte Erdoğan in der Nacht an, seine Gegner würden für Anschuldigungen und Kritik der vergangenen Monate "bezahlen" müssen.
Nach Auszählung von knapp 98 Prozent der abgegebenen Stimmen kommt die AKP landesweit auf 45,5 Prozent, wie der Fernsehsender CNN Türk am Montagmorgen berichtet. Die oppositionelle Republikanische Volkspartei (CHP) liegt demnach bei etwa 27,9 Prozent. Auch in der Metropole Istanbul führte die AKP laut CNN Türk kurz vor dem Ende der Auszählung deutlich. Zuvor waren nach Auszählung von 80 Prozent der Stimmen ähnliche Ergebnisse erzielt worden.
Allerdings beklagen Opposition und Aktivisten Manipulationen und Wahlbetrug, unter anderem wegen der Stromausfälle in Dutzenden Städten. Energieminister Taner Yildiz sagte, Grund dafür sei ein Gewitter gewesen und der Ausfall habe in den meisten Orten nicht lange gewährt, wie die Frankfurter Rundschau online berichtet. Dem Fernsehsender CNN Türk sagte der Oppositionspolitiker Yilmaz Büyükersen (CHP) hingegen am Abend: "In neun großen Stadtteilen ist der Strom seit einer Stunde ausgefallen." Beim zuständigen Energieversorger sei keiner ans Telefon gegangen. "Außerdem hat jemand versucht, einen Sack voller Stimmen zu klauen." Derjenige sei jedoch gestellt worden.
Auch auf Facebook und Twitter wurde von Erdoğan-Gegnern Wahlbetrug vermutet: Polizisten sollen Säcke mit Stimmen zu unbekannten Orten getragen und AKP-Politiker Anhänger anderer Parteien verprügelt haben.
Massenproteste und Korruptionsskandal schaden Erdoğan nicht
Erdoğan feierte in der Nacht hingegen den Sieg seiner AKP. "Das Volk hat heute die hinterhältigen Pläne und unmoralischen Fallen durchkreuzt", rief Erdoğan seinen Anhängern vor dem Sitz der AKP in Ankara zu. "Diejenigen, die die Türkei angegriffen haben, wurden enttäuscht." In unverhohlener Anspielung auf den islamischen Prediger Fethullah Gülen und dessen Anhänger fügte der 60-jährige Regierungschef hinzu: "Es wird keinen Staat im Staate geben, die Stunde ist gekommen, sie zu beseitigen."
Erdoğan steht seit vergangenen Sommer wegen seines zunehmend autoritären Regierungsstils in der Kritik. Seine harte Reaktion auf Massenproteste gegen die Umgestaltung des Istanbuler Gezi-Parks hatten die Fronten verhärtet. Hinzu kam Mitte Dezember ein massiver Korruptionsskandal, über den immer weitere Details bekannt werden.
Der Regierungschef betrachtet die Ermittlungen gegen Politiker und Geschäftsleute aus seinem Umfeld als Verschwörung der Anhänger seines einstigen Weggefährten, des Predigers Gülen. Er ließ Tausende Polizisten, Richter und Staatsanwälte versetzen, die er verdächtigt, Gülen-Anhänger zu sein. Zudem ließ Erdoğan kurz vor der Wahl die Internet-Plattformen Twitter und Youtube sperren, um auf diesen Kanälen Kritik zu verhindern.
Der Regierungschef hatte den Urnengang zur Abstimmung über seine politische Zukunft gemacht. Er gab die Losung aus, jedes landesweite Ergebnis über 38,8 Prozent sei diesmal ein Erfolg. Der Sieg dürfte Erdoğan nun in seiner Absicht bestärken, sich im August um das Präsidentenamt zu bewerben. Überschattet wurde die Wahl von gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Anhängern rivalisierender Kandidaten im Südosten des Landes. Dabei wurden nach Medienberichten mindestens acht Menschen getötet und etwa 60 verletzt.