Kolumbien:Angriff auf den Friedensprozess

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Der Wahlsieger Iván Duque lehnt den Ausgleich mit den Farc-Rebellen ab. Dahinter steht ein altbekannter Strippenzieher.

Von Sebastian Schoepp, München

Eine enttäuschte Anhängerin des unterlegenen Links-Kandidaten Gustavo Petro in der Wahlnacht in Bogotá. (Foto: Nicolo Filippo Rosso/Bloomberg)

Wahlkampf in Kolumbien kann gefährlich sein. Das musste der Senator Álvaro Uribe kurz vor der Präsidentenwahl bei einem Auftritt in La Loma erfahren, einem Minenort nahe der venezolanischen Grenze. Gerade als der konservative Ex-Präsident zu reden anheben wollte, überfiel ein Schwarm afrikanischer Killerbienen die Veranstaltung, 70 Leute wurden mit Stichen ins Krankenhaus gebracht. Angeblich hatte Uribes Helikopter die angriffslustigen Insekten aufgeschreckt.

Uribe kam ohne Stich davon und kann sich nun über die Ergebnisse seiner Wahlkampfeinsätze freuen: Sein Kandidat Iván Duque hat die Präsidentenwahl am Sonntag mit knapp 54 Prozent der Stimmen gewonnen und den Linken Gustavo Petro klar geschlagen. Was das im Klartext bedeutet, fasste die größte Tageszeitung El Tiempo am Montag in klare Worte: "Álvaro Uribe beherrscht seit 16 Jahren die Urnen." Soll heißen: Zwar hat Iván Duque gewonnen, aber Uribe zieht die Fäden.

Das bedeutet zumindest nichts Gutes für die Guerilleros, die in den letzten anderthalb Jahren im Zuge des Friedensabkommens ihre Waffen abgegeben haben: Uribe ist erbitterter Gegner des Friedensprozesses, den der scheidende Präsident Juan Manuel Santos eingeleitet hatte. Von 2002 bis 2010 war Álvaro Uribe selbst Präsident - bis ihm die Verfassung verbot, erneut anzutreten. Damals hatte er als Kriegspräsident mit seinem unerbittlichen Kurs gegen die Guerilla Zustimmungswerte bis 70 Prozent erreicht. 2010 hatte Uribe versucht, indirekt weiterzuregieren, indem er seinen früheren Verteidigungsminister an die Urnen schickte. Juan Manuel Santos gewann, doch kaum im Amt, schwenkte er um und initiierte den Friedensprozess mit den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens (Farc), der ihm den Friedensnobelpreis einbrachte. Die Welt jubelte, doch daheim in Kolumbien stieß Santos auf Ablehnung. Besonders die Straffreiheit für viele Taten der Farc, die das Land mit Entführungen, Morden und Drogenhandel terrorisiert hatten, stieß bei Uribe und weiten Teilen der Landbevölkerung, die darunter besonders zu leiden hatte, auf Ablehnung.

Die neu gegründete Farc-Partei wurde schon bei der Parlamentswahl abgestraft

Die neu gegründete Farc-Partei wurde bei der Parlamentswahl abgestraft, zur Präsidentenwahl trat sie gar nicht erst an. Als linke Organisation durfte sie sich nun am ehesten repräsentiert fühlen von Gustavo Petro, ebenfalls ein früherer Guerillero und Ex-Bürgermeister der Hauptstadt Bogotá, der es in dem traditionell eher konservativen Land immerhin schaffte, 42 Prozent der Stimmen zu holen. Allein die Tatsache, dass ein linker Anti-Establishment-Kandidat überhaupt so viele Stimmen erhalten habe, zeige, wie sehr das Bürgerkriegsland sich gewandelt habe, schrieb der Analyst und Soziologe Jorge Galindo nach der Wahl in der spanischen Zeitung El País. Dass Petro am Ende nicht gewinnen konnte, führt Galindo auf die Nähe zu Venezuela zurück, wo ein falsch verstandener Sozialismus zu einer krassen Versorgungskrise, Unruhen und autokratischen Zuständen geführt hat. Wie es um Venezuela steht, können die Kolumbianer jeden Tag anhand des Flüchtlingsstroms aus dem Nachbarland beobachten. Das verführt nicht dazu, jemanden wie Petro zu wählen, der dem früheren venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez nahestand.

Wahlsieger Duque präsentierte sich am Sonntag mit versöhnlichen Worten: "Ich werde alles daran setzen, das Land zu einen", sagte der 41-Jährige vor jubelnden Anhängern. Auch der Chef der Rebellen-Bewegung Farc, Rodrigo Londoño, gratulierte und erklärte, die Entscheidung der Wähler zu respektieren. Er rief zur Versöhnung auf. Doch Duque hat klargemacht, dass er den Friedensprozess nicht so stehen lassen werde: "Dieser Frieden, den wir alle so ersehnen, braucht Korrekturen", sagte er.

Vor allem für die Sicherheitslage wird die Regierung einiges tun müssen: Mit dem Rückzug der Farc ist Kolumbien keineswegs sicherer geworden. In den ärmsten Regionen, wo die Guerilla früher eine primitive Ordnung aufrecht erhielt, setzen jetzt Versprengte nach: Dissidenten der Farc, gewöhnliche Kriminelle, andere Rebellengruppen und mexikanische Drogenkartelle. Die Grenzen verschwimmen, es geht ihnen allen um eins: die Kokainproduktion zu vergrößern, um den unersättlichen US-amerikanischen und europäischen Markt zu versorgen. Die Produktion ist zuletzt gestiegen, wenn man Zahlen des US-State-Departments glauben darf. Ursache ist, dass die Regierung Santos seit 2015 auf das Sprühen von Glyphosat zur Vernichtung der Koka-Pflanzen verzichtete - um die Gesundheit der Bauern zu schützen. Die Regierung hat 1, 3 Milliarden Euro ausgegeben, um ihnen die Suche nach Alternativen zu erleichtern. Das jedoch habe dazu geführt, dass viele Bauern überhaupt erst Koka angebaut hätten - um dann für die Vernichtung der Felder Hilfe zu beantragen, behauptet Román Ortiz vom Thinktank Cordillera Applications Group. In Teilen Kolumbiens ist Kokaanbau nach wie vor die Geldmaschine schlechthin.

© SZ vom 19.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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