Klug verstärkt SPD-Führung:Operation Neuanfang

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Die neue Parteispitze muss die SPD zur Oppositionspartei umbauen - mit Astrid Klug als Bundesgeschäftsführerin ist sie nun komplett.

Susanne Höll, Berlin

Der designierte SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel und die künftige Generalsekretärin Andrea Nahles haben sich auf erste wichtige Personalentscheidungen für die Parteiorganisation verständigt.

Der designierte SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel mit der künftigen Bundesgeschäftsführerin Astrid Klug (Foto: Foto: AP)

Nahles kündigte am Montag im SPD-Präsidium an, sie wolle im Einvernehmen mit Gabriel dessen bisherige Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Astrid Klug, zur neuen Bundesgeschäftsführerin der SPD berufen.

Klug folgt nach dem Bundesparteitag Mitte November auf Kajo Wasserhövel, der den Geschäftsführer-Posten bei der Rückkehr von Franz Müntefering in das Vorsitzendenamt erst vor einem Jahr wieder übernommen hatte. Ein zweiter langjähriger Mitarbeiter Gabriels soll ihm in die Parteizentrale folgen: Tobias Dünow, ehemaliger Sprecher der SPD-Fraktion in Niedersachsen, der zuletzt einer der Vize- Sprecher des Umweltministeriums war.

Parteiintern war die Nominierung des für den Geschäftsführerposten mit Spannung erwartet worden, weil Personalfragen auch in der SPD oft als Machtfragen begriffen werden. Gabriel und Nahles, der als designierter Generalsekretärin das Vorschlagsrecht für diesen Posten zusteht, hatten mehrere Kandidaten für den Posten im Auge, länger über den geeigneten Bewerber diskutiert und sich vergangene Woche auf die Saarländerin Klug verständigt.

"Beide haben mich einvernehmlich gefragt"

Klug widersprach allen Spekulationen, einer der beiden aus dem künftigen Führungsduo habe sie durchgesetzt. "Beide haben mich einvernehmlich gefragt. Und ich hätte den Posten auch nicht übernommen, wenn es anders gewesen wäre", sagte sie der Süddeutschen Zeitung. Wichtigste Aufgabe der SPD nach der Wahlniederlage sei es, sich intern zu sammeln und zu stärken, sich zugleich für gesellschaftliche Gruppen zu öffnen und eine neue Debattenkultur zu entwickeln.

Der Bundesgeschäftsführer ist nach dem Parteichef und dem Generalsekretär der dritte zentrale Führungsposten in der SPD, die sich mit der Rückkehr in die Opposition neu aufstellen muss. Der Vorschlag Klug wurde im Parteipräsidium nach Angaben von Teilnehmern mit Zustimmung jener aufgenommen, die sie aus ihrer politischen und parlamentarischen Arbeit kennen.

Die 41-Jährige stammt aus dem saarländischen Homburg und ist von Beruf Diplom-Bibliothekarin. Sie kam über die Umwelt- und Friedensbewegung zur SPD, trat ihr 1985 als Schülerin bei. In der Saar-SPD, deren Vize-Chefin sie seit 2000 ist, genießt sie einen guten Ruf, wurde aber wegen ihrem Eintreten für die Arbeitsmarktreformen auch kritisiert. 2002 wurde sie in den Bundestag gewählt, am 27. September verlor sie ihr Mandat, mit dem Regierungswechsel auch ihren Posten als Staatssekretärin.

In Berlin trat sie öffentlich bislang nicht sonderlich in Erscheinung. Aus dem Umfeld von Nahles und Gabriel wurden ihr organisatorisches Fähigkeiten, Geschick bei der Personalführung und ein ausgleichendes Wesen attestiert.

Aus den SPD-Flügelkämpfen hatte Klug sich stets herausgehalten. Sie war bislang Mitglied der Gruppe der Parlamentarischen Linken, der auch Nahles angehört, zählt aber auch zur Gruppe der Netzwerker, die sich als Vertretung jüngerer, reformorientierter SPD-Politiker versteht.

Dort ist auch Gabriel Mitglied, der zudem zum konservativen Seeheimer Kreis gehört. Klug selbst sagte: "Ich fühle mich als Mitglied der SPD, nicht irgend eines Flügels."

Reorganisation der Parteizentrale

Die designierte SPD-Führung hat es sich zum Ziel gesetzt, die oft mit persönlichen Ambitionen und Rechthabereien verbundenen Auseinandersetzungen der unterschiedlichen SPD-Gruppierungen zu beenden. Daneben gehört die Reorganisation der Parteizentrale zu den wichtigsten und schwierigsten Aufgaben der neuen Spitze.

Die Bundes-SPD muss Millionen-Beträge einsparen, mutmaßlich auch beim Personal in der Zentrale. Zugleich wird die Partei, anders als in den vergangenen elf Jahren, nicht mehr auf Expertisen und Zulieferungen aus SPD-geführter Ministerien zurückgreifen können. Auch wird nach den vielen Wechseln im Vorsitzenden-Amt die Stimmung im Haus seit längerem als gedrückt beschrieben. Mit den zahlreichen Führungswechseln wurden auch Mitarbeiter im Willy-Brandt-Haus auf immer neue Posten versetzt, nicht wenige fühlten sich abgeschoben und von der jeweils neuen Spitze geächtet.

Zudem wollen Gabriel und Nahles den Parteiapparat modernisieren, auf den Mitgliederschwund der vergangenen Jahre reagieren und ihn zu einem, wie der designierte Parteichef unlängst sagte, "Dienstleistungsbetrieb" umbauen, damit die SPD auch weiterhin für Wahlkämpfe und Kampagnen gerüstet ist. Zugleich soll die Zusammenarbeit der Parteiorganisationen in Kommunen, Ländern, Bund und Europa stärker verzahnt und die Bildungsarbeit der SPD überprüft werden. Klug als Geschäftsführerin wird in diesem Umbauprozess entscheidende Rolle spielen, wird sich dem vernehmen nach auf die interne Arbeit konzentrieren und öffentlich Auftritte Gabriel und Nahles überlassen.

Keine Gegenkandidaten in Sicht

Die Wahl von Gabriel und Nahles sowie der übrigen neuen SPD-Spitze auf dem Dresdner Parteitag gilt als sicher, da bislang keine Gegenkandidaturen in Sicht sind. Klug muss sich nicht zur Abstimmung stellen, benötigt aber die Zustimmung des neuen Parteivorstands, der auch in Dresden gewählt wird.

Für den Parteitag wird eine lange und kontroverse Diskussion über die Gründe für die katastrophale Wahlniederlage und die Zukunft der SPD erwartet. Die neue und die künftige Führung wollen aber Kehrtwenden im politischen Kurs in Dresden verhindern, darunter etwa eine Rückkehr zum Rentenalter mit 65, eine Verurteilung der rot-grünen Arbeitsmarktreform Hartz IV sowie Beschlüsse zu künftigen Kooperationen mit der Linkspartei im Bund.

Sie haben einen Entwurf für einen Leitantrag formuliert, in dem sie für die Zukunft Änderungen bei diesen in der Partei strittigen Fragen in Aussicht stellen, sofortige Entscheidungen aber ablehnen. Für die Debatte hat die Parteispitze mehrere Stunden am 13. November eingeplant. Anschließend soll die Parteispitze gewählt werden. Noch-Generalsekretär Hubertus Heil sagte nach der Präsidiumssitzung am Montag, niemand werde den Diskussionen mit Macht ein Ende setzen.

© SZ vom 03.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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