Klimaschutz:Wendemanöver in der Sackgasse

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Der amerikanische Präsident George W. Bush spricht erstmals von Klimazielen und stiftet Verwirrung - vor allem beim G-8-Gastgeber Deutschland.

Michael Bauchmüller und Christian Wernicke

Fast ist es wie in Gleneagles 2005. Auch damals kamen die Staats- und Regierungschefs der G8 zusammen, auch damals sollte der Klimaschutz eine wichtige Rolle spielen. Am Ende stand eine wachsweiche Erklärung - und wenig später eine US-Initiative.

Hat sich nun auch zum Klimaschutz geäußert: Der amerikanische Präsident George W. Bush (Foto: Foto: AP)

Sie hieß "Asia-Pacific Partnership" und brachte sechs Länder zusammen: außer den USA waren das China, Indien, Japan, Südkorea und Australien. Vor allem die saubere Technologie, so vereinbarten die sechs, solle das Klima schützen. Bis heute ist nicht geklärt, ob die Initiative je etwas für das Weltklima gebracht hat - und doch will US-Präsident George W. Bush seinen neuesten Vorstoß offenbar ausgerechnet auf seine Asien-Partnerschaft aufsatteln.

15 Staaten, so verkündete das Weiße Haus am Donnerstag, sollen zunächst in die Initiative eingebunden sein - das entspräche exakt der Schnittmenge aus jenen Industrie- und Schwellenländern, die in Heiligendamm zusammentreffen, und der Asien-Partnerschaft des Präsidenten.

Zu den G-8-Ländern (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, USA, Kanada und Russland) kämen die wichtigsten Schwellenländer (China, Indien, Südafrika, Brasilien und Mexiko) sowie Australien und Südkorea. Gemeinsam verantworten sie mehr als 80 Prozent der weltweiten Treibhausgas-Emissionen.

"Der Weg führt über Technologie"

Sie alle, so schlägt Bush vor, sollen in den nächsten Monaten einen neuen Ansatz für den Klimaschutz ausklügeln. Ende 2008 soll dann ein "langfristiges globales Ziel für die Senkung der Treibhausgase stehen", kündigte Bush an. Offen ließ er aber, wie ein solches Ziel aussehen soll: Ob sich Staaten, wie im Kyoto-Protokoll, feste Minderungsziele geben sollen, ob es um eine Begrenzung der Erderwärmung geht, ob Washington bloß eine Selbstverpflichtung will.

Wie schon in der Asien-Initiative soll auch hier das Knowhow die Hauptrolle spielen. "Der Weg, diese Herausforderung zu meistern", sagt Bush, "führt über Technologie, und die USA sind in Führung." Aus Australien, das mit dem Kyoto-Protokoll so wenig zu tun haben will wie Amerika, erhielt Bush prompt Applaus.

Keine Konkurrenz

Die Bundesregierung dagegen ringt noch um die richtigen Worte. Einerseits, so führte Sprecher Ulrich Wilhelm am Freitag aus, sei ja jede Bewegung "wichtig und richtig". Gleichzeitig fürchtet Kanzlerin Angela Merkel aber, der US-Vorschlag könnte die Bemühungen um eine Fortschreibung des Kyoto-Protokolls behindern.

"Bei aller Anerkennung für unterschiedliche Initiativen", formulierte Wilhelm diplomatisch, "ist für uns immer klar, dass sie unter dem Dach der Vereinten Nationen erfolgen müssen."

Dies sei nicht verhandelbar. Am Abend versicherte Bush Merkel in einer Videokonferenz, dass seine Initiative keine Konkurrenz zu Vereinbarungen unter dem Dach der UN sein sollen, wie sein Sicherheitsberaters Stephen Hadley berichtete. Der saarländische SPD-Vorsitzende Heiko Maas sagte mit Blick auf die USA, diejenigen die verbindliche Umweltstandards ablehnten, seien ,,nichts anderes als Klimaterroristen''.

"Gedankliche Revolution"

Umweltschützer sehen nun jeden Klima-Konsens der G8 schwinden. "Es sieht eher so aus, als hätte die US-Regierung hier eine Initiative gestartet, um den UN-Verhandlungsprozess zu unterminieren", vermutet Christoph Bals von Germanwatch.

"Das wäre nicht der Anfang, sondern das Ende einer ernsthaften Klimapolitik." Schließlich soll schon im Dezember auf Bali über die Nachfolge des Kyoto-Protokolls verhandelt werden - im Rahmen der Vereinten Nationen. Im Unterschied zum Bush-Club reden hier nicht 15 Staaten mit, sondern 173 - außer den wenigen Verursachern auch die vielen Leidtragenden des Klimawandels.

Die Motive für Bushs vorgeblich grüne Wende sind offensichtlich: Nicht nur in der G8, auch daheim sieht sich der Präsident mit seinem bisherigen Kurs isoliert. "Dieses Land erlebt eine gedankliche Revolution", schwärmt Peter Goldmark, Klimaexperte des US-Umweltverbands Environmental Defense.

"Eine gute Nachricht"

Ein Dutzend Bundesstaaten, viele Konzerne und Amerikas Bürger hätten den Klimawandel als Bedrohung erkannt - ,,nur das Weiße Haus machte bisher nicht mit''. In ersten Reaktionen argwöhnen auch amerikanische Öko-Organisationen, mit seiner Initiative wolle der Präsident die UN-Klimaverhandlungen und ein neues Kyoto-Protokoll torpedieren.

Und Barbara Boxer, führende Umweltpolitikerin der Demokraten, bemängelte, wirkliche Fortschritte seien ,,unmöglich ohne einen verbindlichen Deckel für Treibhausgase''. Dennoch sei der Vorstoß "eine gute Nachricht", glaubt die Senatorin: "Bush hat die Herausforderung akzeptiert."

Denn zumindest zeigt sich Bush nun bereit, auf internationalem Parkett über "ein langfristiges globales Ziel" zur Reduktion von Treibhausgasen zu verhandeln. Wie schwer ihm das innerlich fiel, offenbarte sein holpriger Redefluss.

Alles nur freiwillig?

Mehr als sonst nuschelte Bush, als er vorschlug, jedes Land solle sich "mittelfristige Ziele setzen" und "konkrete Programme" zu deren Umsetzung entwerfen. Aber er brachte bisher Undenkbares über die Lippen: "Wichtig ist sicherzustellen, dass wir Ergebnisse bekommen. Also werden wir ein strenges und transparentes System schaffen, um die Leistungen jedes Landes zu messen."

Das freilich relativierte sogleich Jim Connaughton, Bushs oberster Umweltberater. Nein, sämtliche Ziele seien - anders als etwa im Kyoto-Protokoll -"nicht verbindlich" gemeint.

Konsens von mehr als 170 Nationen

Also alles nur freiwillig? Das wollte Connaughton wiederum nicht eingestehen: "Unsere internationale Verpflichtung wird ein langfristiges, erhofftes Ziel sein." Zweifel, dass diese Regierung wirklich bereit ist zur eigenen Klimawende, wecken auch andere hohe Beamte.

Michael Griffin etwa, als oberster Verwaltungschef der Luft- und Raumfahrtbehörde Nasa für einen gehörigen Teil der staatlichen US-Klimaforschung mitverantwortlich, sieht zwar ein, dass die Erde sich erwärmt. Aber er sei "nicht sicher, ob das wirklich ein Problem ist, mit dem wir ringen müssen". Zu behaupten, das bisherige Weltklima sei das einzig richtige, sei schließlich "recht arrogant''.

James Hanson, der Top-Klimaforscher der Nasa, gab zu, er sei ob dieser Worte "fast vom Stuhl gefallen". Sein Chef ignoriere den Konsens von mehr als 170 Nationen. Schon fordern Öko-Verbände Griffins Rücktritt, fällig ist er spätestens im Januar 2009 - wenn auch Bush aus dem Weißen Haus auszieht.

© SZ vom 2. Juni 2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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