Klimaschutz:Nur ein Meilenstein

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Vor einem Jahr hat die Weltgemeinschaft in Paris viele schöne Ziele für den Klimaschutz formuliert. Jetzt, beim nächsten Treffen in Marokko, wo es um die Wege dorthin gehen soll, wird es aber erst richtig schwierig.

Von Michael Bauchmüller

Große Errungenschaften gelten gemeinhin als "Meilenstein". So ein Meilenstein ist Ergebnis eines zähen Ringens, ein lang ersehntes Ziel. Nur hat er auch seine Tücken: Er ist eben nur ein Meilenstein, eine Etappe auf einem langen Weg. Nicht selten ist der weitere Pfad völlig ungewiss. Ganz so wie beim Weltklimavertrag von Paris.

Dieser Tage treffen sich in Marokko all jene wieder, die im vorigen Jahr in Paris schulterklopfend auseinandergingen. Bei der 22. Weltklimakonferenz haben die Staaten nun das, worum sie in den langen Nächten der 21. Konferenz so zäh gerungen haben: einen Vertrag, der die Erderwärmung auf ein erträgliches Maß begrenzen soll. Der den Raubbau an fossilen Ressourcen begrenzen soll, ehe deren Treibhausgase Tatsachen schaffen. Der einen Ausgleich erreichen soll zwischen den Leidtragenden und den Verursachern des Klimawandels. Kurzum: einen Meilenstein. Vor allem aber stehen sie nun mit einer großen Frage da: Und jetzt?

Berlin hat viele schöne Ziele, doch wo ist der Weg dorthin

In Paris wollten sich die Staaten nicht einem neuen Klimaregime beugen, sie wollten selbst am Ruder bleiben. Das Ergebnis ist ein Abkommen, in dem jeder Staat selbst vorschlägt, was er zum Kampf gegen die Erderwärmung beiträgt. Funktioniert dieser Mechanismus, dann schrauben die Staaten ihre Anstrengungen immer weiter hoch, jeweils skeptisch beäugt vom Rest der Gemeinschaft. Dann lässt die Summe dieser nationalen Anstrengungen die globalen Treibhausgasemissionen immer weiter schrumpfen. Wenn es denn so einfach geht.

Ein erstes Feldexperiment ist schon im Gange, es ist der "Klimaschutzplan" der deutschen Bundesregierung. Der Plan sollte beweisen, dass Berlin mehr kann als nur große Worte schwingen; diesen Mittwoch soll er ursprünglich durchs Kabinett. Das ist gescheitert. Und wenn kein Wunder mehr geschieht, beweist der Plan am Ende das blanke Gegenteil. Er formuliert zwar schöne Ziele für die Zukunft, beschreibt aber so gut wie keine Wege dahin. Industrie, Verkehr, Landwirtschaft, Gebäude - überall sollen die Emissionen bis 2030 sinken. Wie das aber in den verbleibenden 14 Jahren konkret gehen soll, verschweigt der Plan. Treffende Analyse, null Aktion. Echte Konsequenzen aus dem Weltklimavertrag sähen anders aus.

Das hat hierzulande Methode. Schon Helmut Kohl überraschte alle Umweltschützer, als er 1995 sein Klimaziel ausgab: ein Viertel weniger Kohlendioxid bis 2005! Vor der großen Klimakonferenz von Berlin machte der Kanzler seinerzeit die gewünschten Schlagzeilen. Doch als das Jahr 2005 verstrich, war Kanzler Kohl Geschichte, das Ziel längst vergessen. Und auch die nächste Bundesregierung wird 2020 ein einst feines Klimaziel ihrer Vorgänger kassieren müssen. Das angestrebte Minus von 40 Prozent wäre schon jetzt nur noch mit einer veritablen Wirtschaftskrise zu erreichen.

Allerdings lässt sich aus dem Feldversuch auch leicht schließen, wie es zu dem wiederholten Versagen kommen konnte - aus Angst vor Veränderung. Nur so lässt sich erklären, dass eine der nächstliegenden Schlussfolgerungen aus dem Weltklimavertrag im deutschen Plan keine Chance hatte, der Verzicht auf neue Braunkohletagebaue und Kohlekraftwerke. Wie Deutschland glaubhaft etwas zum Kampf gegen die Erderwärmung beitragen will, wenn es sich gleichzeitig die Förderung zusätzlicher Braunkohle offenhalten will, das bleibt ein Geheimnis dieser Koalition. Bis zuletzt setzte die deutsche Industrie all ihre Lobbykraft daran, selbst den schmalen Rest des Klimaplans noch zu vertagen. Wie eh und je sind ihr die Geschäfte des kommenden Jahrzehnts wichtiger als deren Folgen in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts.

Wo Politik mit den Industrien von gestern koaliert, kann aus dem Weltklimavertrag nicht viel werden. Die Industriestaaten werden sich in den nächsten 40 Jahren massiv verändern müssen, wollen sie nicht ihrerseits verändert werden - durch die Erderwärmung. Klimapolitik verlangt deshalb auch eine Industriepolitik, die in Alternativen denkt zu fossilem Strom, zu Verbrennungsmotoren, zu intensiver Landwirtschaft, zur Verschwendung von Energie. Der deutsche Klimaschutzplan verschloss die Augen vor allen Einschnitten und war vielen dennoch zu ehrgeizig. Einzelnen Firmen mag das nutzen, nicht aber der Wirtschaft als Ganzes: Ohne klare Klimapolitik entgehen ihr viele der Chancen, die der grüne Umbau weltweit birgt.

Das macht jene Treffen so wichtig, die nun auf den Klimagipfel von Paris folgen. Sie können konkreter machen, was Staaten zum Klimaschutz beitragen sollen. Wenn der Widerstand gegen echte Klimapolitik im Innern zu groß ist, dann braucht es mehr Druck von außen.

© SZ vom 09.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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