Klimaschutz:Mit der Macht des Amtes

Lesezeit: 3 min

Jesus soll helfen: Die Reaktion von Menschen in Kansas auf die verheerende Dürre im vergangenen Sommer. (Foto: John Moore/AFP)

Barack Obama kündigte überraschend eine aktivere Klimapolitik an. Seine Möglichkeiten sind zwar begrenzt, aber doch größer als gedacht.

Von Nikolaus Piper, New York

Viele Klimapolitiker in Deutschland hatten sich schon damit abgefunden, dass Präsident Barack Obama ein hoffnungsloser Fall ist: Er mag das Problem erkannt haben, aber er ist machtlos gegen die Opposition im eigenen Land und nutzt sein sehr begrenztes politisches Kapital lieber für andere Themen.

Seit Montag müssen die Deutschen umdenken. In seiner zweiten Inaugurationsrede erwähnte der wiedergewählte Präsident nicht nur dieKlimapolitik, er räumte ihr so viel Platz ein wie kaum einem anderen Thema. "Wir werden auf die Bedrohung durch den Klimawandel reagieren, denn wir wissen, dass wir durch Nichtstun unsere Kinder und künftige Generationen betrügen würden", sagte er und ging dann direkt die Opposition im eigenen Land an. "Manche bestreiten immer noch das überwältigende Urteil der Wissenschaft, aber niemand kann sich der zerstörerischen Macht von grassierenden Bränden, lähmender Dürre und immer mächtigeren Stürmen entziehen." Keine Frage: Das Weltklima steht auf Obamas Tagesordnung in seiner zweiten Amtszeit.

Aber was kann der Präsident überhaupt tun? Schließlich ist die Republikanische Partei klimaskeptisch und beherrscht unverändert das Repräsentantenhaus. Auch viele Demokraten, etwa die Senatoren aus dem bettelarmen Kohlestaat West Virginia, wird Obama nicht für seine Klimapolitikgewinnen können. Ganz sicher werden die USA daher nicht für ein neues internationales Klimaabkommen zur Verfügung stehen. Ein solche Übereinkunft würde Obama kaum durch den Kongress bringen. Es wäre auch nicht sehr sinnvoll, solange es den USA nicht gelingt, China in internationale Vereinbarungen einzubeziehen. Auch ein Gesetz über Handel mit Emissionsrechten nach europäischem Vorbild ist aussichtslos. Das entsprechende Projekt ist 2010 sang- und klanglos im Kongress gescheitert, und zwar zu einer Zeit, als noch beide Häuser demokratisch geführt waren. Das Weiße Haus wird ein neues Scheitern nicht riskieren.

Stattdessen wird der Präsident seine beträchtliche administrative Macht nutzen. Wie das funktioniert, zeigen die Benzinsparstandards, die die Regierung im vergangenen Sommer beschlossen hat. Die Verordnung, der die meisten Autokonzerne zugestimmt haben, soll den Treibstoffverbrauch neu zugelassener Autos bis 2025 fast halbieren. Nach diesem Muster könnte die Regierung auch die CO2-Emissionen von Kohlekraftwerken reduzieren und die Streitkräfte des Landes zum Energiesparen zwingen - ein riesiges Potenzial. Nach Schätzungen des überparteilichen Natural Resources Defense Council könnte der Ausstoß von Klimagiften aus Kohlekraftwerken bis 2020 ohne große Kosten um mehr als 25 Prozent sinken.

Nach Spekulationen der Internet-Zeitung Politico könnte Obama im Weißen Haus einen "Energierat" installieren, so wie es schon einen Rat der Wirtschaftsberater und der Experten für nationale Sicherheit gibt. Eine zentrale Rolle dürfte vor allem die Environmental Protection Agency, EPA, das Umweltbundesamt der USA, spielen. Im Wahlkampf war die EPA heftig umstritten, viele Republikaner beschimpften sie als Jobkiller und forderten ihre Abschaffung. Deshalb wird die Neubesetzung des Chefpostens bei der EPA in diesem Jahr ein Politikum werden. Amtsinhaberin Lisa Jackson hat im Dezember ihren Rückzug angekündigt.

Es hat sich viel geändert. Die Front der Klimaskeptiker ist durchlässiger geworden

Unabhängig von den politischen Grabenkämpfen in Washington hat sich während der vergangenen vier Jahre für die Klimapolitik in Amerika viel geändert. Das Bild ist komplexer geworden. Das Land erlebt einen Öl- und Gasboom. Amerika ist bereits heute der größte Erdgasproduzent der Erde und wird bis 2020 auch der größte Ölproduzent sein. Das mindert zwar den Drang zum Energiesparen, erleichtert aber die Reduktion von Klimagasen. Ein Erdgas-Kraftwerk emittiert, gemessen an der Leistung, halb so viel CO2 wie ein Steinkohle-Kraftwerk. Das Problem: Das meiste neue Erdgas wird per Fracking aus Schieferlagen herausgesprengt. Umweltschützer, vor allem aus Obamas eigener Partei, bekämpfen dieses Fracking.

Noch wichtiger ist, dass die Front der Klimaskeptiker durchlässiger wird. Die Chefs vieler Großkonzerne, unter ihnen vor allem der mächtige Jeff Immelt von General Electric, setzen sich schon lange für eine wirksame Klimapolitik ein. Im vergangenen August, also mitten im Wahlkampf, veröffentlichte das Wall Street Journal einen Grundsatzartikel von Fred Krupp, dem Präsidenten des wirtschaftsfreundlichen Environmental Defense Fund. Krupp forderte die Republikaner dazu auf, den Klimawandel nicht mehr zu negieren, sondern mit den Demokraten einen neuen Konsens über die besten Mittel der Klimapolitikzu finden. Er illustrierte seine Forderung mit einer schönen Geschichte: Die konservativen Unternehmer David und Charles Koch, verlässliche Finanziers rechter Republikaner, hatten bei dem klimaskeptischen Physiker Richard Muller eine Studie über den Klimawandel in Auftrag gegeben. Muller empfahl danach, zur Überraschung seiner Auftraggeber, eine Kehrtwende: "Man sollte kein Klimaskeptiker sein, wenigstens jetzt nicht mehr."

Auch republikanische Politiker verlassen die Abwehrfront. "Der Klimawandel ist real", sagte der Gouverneur von Ohio, John Kasich. Chris Christie, Gouverneur von New Jersey und möglicher Präsidentschaftskandidat 2016, meinte: "Der Klimawandel beeinflusst unseren Staat." Und der Mensch spiele dabei eine Rolle.

Zweifellos hat auch der Katastrophensturm Sandy , der im Herbst New Jersey und New York heimsuchte, den Ton in der Klimadebatte verändert. Zwar lässt sich Sandy ebenso wenig wie irgendein anderes einzelnes Wetterereignis auf den Klimawandel zurückführen. Die Höhe der Schäden hatte jedoch eindeutig mit dem klimabedingt gestiegenen Meeresspiegel zu tun. Das kann kein verantwortlicher Politiker vergessen. Die Folgen von Sandy klangen daher in Obamas Rede nach.

Erschienen in der SZ vom 23. Januar 2013.

© SZ vom 19.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: