Klimaschutz:Hemd und Hose

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Vier Braunkohle-Bundesländer wollen einfach so weitermachen wie bisher. Sie klammern sich an die Vergangenheit, während die Welt auf die Suche nach sauberen Alternativen geht - und das um so verzweifelter, je konkreter die Erderwärmung spürbar wird.

Von Michael Bauchmüller

Tagesordnungspunkt 87 war im Bundesrat keine große Sache. Vier Reden, flotte Abstimmung, ein einhelliges Ja: So stellte sich die Länderkammer vor knapp einem Jahr hinter das Klimaabkommen von Paris. Ein Vertragswerk für einen Stopp der Erderwärmung, dagegen hatten die deutschen Bundesländer nichts. Nur von den politischen Folgen wollen sie nichts wissen. Wenn es an den Abschied von fossiler Energie geht, ist den Ländern das Hemd näher als die Hose.

In Brandenburg arbeiten derzeit Sozialdemokraten und Linke allen Ernstes darauf hin, das eigene Klimaziel herunterzuschrauben - weil die Braunkohlekraftwerke dort zu viel Kohlendioxid ausstoßen. In Nordrhein-Westfalen, wie Brandenburg ein Tagebau-Land, haben Union und FDP dem Energiekapitel ihres Koalitionsvertrags die vielsagende Überschrift "Energiemix erhalten" gegeben: Auf "absehbare Zeit" sei die fossile Energie unverzichtbar. Und weil die EU neuerdings strengere Grenzwerte bei Kraftwerken verlangt - übrigens der Gesundheit, nicht des Klimas wegen - fordern nun vier Ministerpräsidenten den Bund zu einer Klage gegen Brüssel auf. Alle vier regieren Braunkohleländer. Alle vier wollen "auf absehbare Zeit" so weitermachen wie bisher.

Verbrennungsmotor und Ölheizung werden aussterben müssen

So aber wird nichts aus der sauberen Zukunft. Denn was der Bundesrat da im September vorigen Jahres billigte, verlangt den nahezu vollständigen Abschied von fossiler Energie nicht irgendwann, sondern binnen drei Dekaden. Das Ende fossiler Kraftwerke ist dabei noch die einfachste Übung. Der Verbrennungsmotor wird ebenso aussterben müssen wie die Ölheizung. Die Industrie muss sich massiv umstellen. All das ist evident; es sind die logischen Folgen der Abmachung von Paris.

Doch zugleich sind es unbequeme Wahrheiten, die hierzulande keiner ausspricht. Deshalb auch strich die Bundesregierung aus ihrem "Klimaschutzplan" alles, was irgendwie nach Verzicht klingen könnte. Deshalb auch können Länder am einen Tag für den Klimaschutz stimmen, um am nächsten die Kohlekraft zu verteidigen. So verlogen ist deutsche Klimapolitik.

Wer in Bund und Ländern regiert, auch wiedergewählt werden will, hat die Wahl zwischen Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit. Ehrlichkeit würde verlangen, die Folgen konsequenter Klimapolitik durchzubuchstabieren, sei sie auch noch so unbequem: vom schrittweisen Ausstieg aus dem Kohlestrom bis zu der Frage, wie lange in diesem Land noch Heizkessel verbaut werden sollen. Wer aber Klimaverträge schließt, ohne sich um deren Einhaltung zu scheren, verliert die Glaubwürdigkeit.

Die Braunkohle-Länder glauben, im Interesse ihrer Beschäftigten zu handeln. Das Gegenteil ist der Fall. Sie klammern sich an die Vergangenheit, während die Welt auf die Suche nach sauberen Alternativen geht; und das umso verzweifelter, je konkreter die Erderwärmung spürbar wird. Diese Alternativen zu erforschen und anzuwenden, junge Firmen dabei zu unterstützen, das schüfe Jobs und Zukunft. Kluge Landespolitiker wüssten das.

© SZ vom 22.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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