Klimaschutz:Endlich verbindlich

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Jahrelang haben Abgeordnete für ein Klimaschutzgesetz gestritten, nun ist es beschlossen. Die Opposition bleibt skeptisch.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Als es dann so weit ist, lächelt Matthias Miersch still in sich hinein. Kein Triumph, keine gereckte Faust. Miersch bearbeitet sein Smartphone. Knapp zehn Jahre lang hatte der SPD-Umweltpolitiker, wie einige seiner Kollegen, auf dieses Gesetz hingearbeitet, auf einen verbindlichen Rahmen für den Klimaschutz. Seit diesem Freitag hat er ihn.

Es ist eine unruhige Debatte am Freitagmorgen im Bundestag. Der CSU-Mann Georg Nüßlein kämpft sich durch wilde Zwischenrufe der AfD-Fraktion, die SPD wirft den Grünen vor, über Klima nur groß zu reden und nicht zu handeln, und die Grünen attestieren der Koalition totales Versagen. Selten hat eine Umweltdebatte den Bundestag so erhitzt wie diesmal, zwischenzeitlich riecht es nach Tumult.

Der Freitag markiert das Ende eines Sprints. Keine zwei Monate vorher hatte die Bundesregierung ihr Klimapaket beschlossen, seine Herzstücke stehen nun zur Abstimmung: Das Klimaschutzgesetz, für das Miersch und andere so lange gestritten haben, soll die Regierung in Zukunft verpflichten, jedes Jahr das bis dahin Mögliche mit dem Nötigen zu vergleichen, also mit den deutschen Klimazielen. Liegt sie unter Plan, soll sie rasch nachsteuern. "Jeder Minister, der sich an die Ziele nicht hält, wird sich vor diesem hohen Haus verantworten müssen", sagt Miersch. Auch Andreas Jung, innerhalb der CDU-Fraktion federführend beim Paket, sieht einen Durchbruch. "Wir setzen hier um, wofür Umweltverbände seit Jahren gestritten haben." Klimaziele würden in Zukunft "verbindlich eingehalten".

An der Menschheitsaufgabe Klimaschutz sei die Koalition gescheitert, so die Grünen

Ein Preis auf Kohlendioxid soll derweil bewirken, dass der Verbrauch von Benzin, Diesel, Heizöl oder Erdgas künftig etwas teurer wird. Von 2021 an soll so jede Tonne Kohlendioxid einen Preis bekommen; wenngleich einen zunächst recht bescheidenen von zehn Euro. Über die Jahre soll er ansteigen. Die Mehrwertsteuer auf Bahntickets soll sinken, die Ticketabgabe für Flüge leicht steigen.

Was nötig ist und was möglich, das ist auch die Kernfrage im Bundestag. "Es geht nicht darum, das Verhalten der Menschen zu ändern, sondern die Technologien", sagt der CSU-Politiker Nüßlein. Dafür brauche es auch den Preis auf Kohlendioxid, den künftig der Emissionshandel bringe. Das sieht die FDP im Prinzip ähnlich, nur erkennt sie in dem CO₂-Preis keinen Emissionshandel. Die Koalition hatte sich nämlich auf eine Mischform geeinigt, in der am Anfang ein Fixpreis für jede Tonne Kohlendioxid gelten soll. Erst später soll daraus ein Handelssystem werden. "Das ist eine reine CO₂-Steuer, die klimapolitisch wirkungslos bleibt", sagt der FDP-Klimapolitiker Lukas Köhler. Trotzdem greife sie "den Leuten in die Tasche".

An derlei Belastungen für Bürger knüpft auch die AfD an, wenngleich aus anderen Motiven. Sie will keinen CO₂-Preis und am liebsten auch keine Klimapolitik. "Ihre verantwortungslose Politik gefährdet die Existenz von vielen Tausend Familien", sagt der Abgeordnete Marc Bernhard, sie folge "blindem Aktionismus". Ausnahmsweise stellt die AfD diesmal nicht den Klimawandel infrage. Stattdessen lobt sie den "Beitrag zum Klimaschutz", den die Atomkraft leisten könne.

Die schärfste Kritik aber kommt von Linkspartei und Grünen. Das Paket reiche "hinten und vorn" nicht aus, schimpft der Linken-Energiepolitiker Lorenz Gösta Beutin. "Das ist keine Politik, das ist das Prinzip Hoffnung." Und Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter attestiert der Koalition, sie habe "zu wesentlichen Teilen der Gesellschaft und zur Realität den Kontakt verloren". An der Menschheitsaufgabe Klimaschutz sei sie gescheitert.

All jene, die schon seit Jahren auf dieses Gesetz hingearbeitet haben, machen trotzdem nun ganz entspannt einen Haken dran. "Nachfolgende Regierungen werden von diesem Gesetz profitieren", glaubt Miersch. "So einen Mechanismus hat es noch nie gegeben." Er zwinge den Staat letztlich zur Einhaltung der Klimaziele. Wenn nicht, fänden sich schon Kläger - und Gerichte.

© SZ vom 16.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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