Klimaschutz:Angezählt

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Initiativen wie "Countdown" erweitern den Druck der Straße - mit Macht, Glamour und viel Geld.

Von Andrian Kreye

Es gibt nur wenige Menschen, die das Drama der Klimakrise in so griffige Bilder packen können wie Al Gore. Am Donnerstag bekam er bei der Startkonferenz der Klimaschutz-Initiative "Countdown" in New York das Schlusswort und sagte: "Die Menschheit setzt momentan jeden Tag so viel Energie frei, als würde sie 500 000 Atombomben zünden."

Der ehemalige US-Vizepräsident ist in seiner Rolle als führender Klimaaktivist der Nation einer der Sprecher der Initiative, die vom Ideenfestival Ted Conference gemeinsam mit den Vereinten Nationen, Youtube, etlichen Hollywood-Stars und Köpfen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft ins Leben gerufen wurde. Sie soll den Druck der Straße verstärken und vor allem in die Sphären der Machthaber und Geldgeber erweitern.

Ted-Conference-Chef Chris Anderson hat lange mit sich gerungen, ob er seine Organisation vom multimedialen und globalen Forum für Zukunftsideen mit Anspruch auf wissenschaftlich und humanistisch fundierte Neutralität zum Katalysator für Aktivismus machen sollte. Auf einem Gipfeltreffen seines Netzwerkes in Edinburgh stellte er im Mai das Projekt erstmals vor. Das auf großen Zuspruch stieß. Die Klimakrise, da waren sich alle einig, ist kein politisches Thema, sondern die Schlüsselfrage der Gegenwart. Warum also nicht die Verbindungen zu den Eliten nutzen, die Ted in den vergangenen beiden Jahrzehnten aufgebaut hat, weil die Konferenz im Kern immer noch das zentrale Forum der digitalen Eliten ist?

Die Startkonferenz am Donnerstag fand dann klimaneutral korrekt in einem virtuellen Theater statt. Was hieß, circa hundert New Yorker versammelten sich in einem kleinen echten Theaterraum, in dem die Gäste aus dem Rest der Welt auf die Wände und bei Bedarf auf den Schirm auf der Bühne projiziert wurden. UN-Generalsekretär António Guterres etwa, der die anderthalb Stunden mit einem Appell eröffnete.

Wobei nicht alle so ernst blieben. Fernsehmoderator Jimmy Kimmel sprach zum Beispiel stellvertretend für die Star-Riege, zu der auch Leonardo DiCaprio, Rooney Mara, Julia Louis-Dreyfus und Joaquin Phoenix gehören. Und er meinte, er sei eigentlich dabei, weil er in DiCaprio verknallt sei.

Das Spektrum der Rednerinnen und Redner war breitestmöglich. Da rührten junge Klimaaktivistinnen die Menschen im Theater zu Tränen. Der Chef des multimilliardenschweren japanischen Rentenfonds, Hiro Mizuno, sagte, man könne nicht mehr wirtschaftlich vernünftig argumentieren. Die Klimaforscherin Katharine Hayhoe sprach betont als Christin.

Es gibt Ziele, die innerhalb eines Jahres erreicht und im Oktober 2020 im norwegischen Bergen vorgestellt werden sollen. Countdown ist auch nicht die einzige Gruppe, die so agiert. Ex-Außenminister John Kerry rekrutierte für seine Organisation "World War Zero" US-Politiker beider Parteien für Druck auf Washington. In Deutschland haben Politiker und Stars GermanZero e.V. gegründet. Alle mit dem Fazit: Klima ist keine Frage der Gesinnung. Die Existenz der gesamten Menschheit ist angezählt. Da sind auch Macht und Geld gefordert.

© SZ vom 07.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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