Kirche:Zweite Heirat ist kein Kündigungsgrund

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Das Bundesarbeitsgericht erklärt die Entlassung eines Chefarztes an einem katholischen Krankenhaus für unrechtmäßig.

Von Detlef Esslinger, Erfurt

Die Kirchen können als Arbeitgeber nicht mehr auf all ihren Sonderrechten beharren. Das ergibt sich aus einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom Mittwoch. Es erklärte eine Kündigung für unwirksam, die der Chefarzt eines katholischen Krankenhauses in Düsseldorf vor zehn Jahren allein deshalb erhalten hatte, weil er zum zweiten Mal geheiratet hatte.

Die Richter entschieden, dass die Kirche ihre Beschäftigten nur dann je nach Religionszugehörigkeit unterschiedlich behandeln darf, "wenn dies im Hinblick auf die Art der beruflichen Tätigkeiten eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt". Der Chefarzt hatte auch deshalb gegen seine Kündigung geklagt, weil die Kirche mehreren seiner Kollegen eine Wiederheirat mit der Begründung zugestanden hatte, dass sie ja nicht katholisch seien - anders als er. Diese Praxis benachteilige den Kläger im Vergleich zu leitenden Mitarbeitern, die nicht dieser Kirche angehörten, urteilten die Erfurter Richter. Anders gesagt: Für einen Arztjob sei es nicht wesentlich, ob jemand in erster oder zweiter Ehe lebt.

Das Bundesarbeitsgericht gab dem Arzt damit zum zweiten Mal recht. Es wechselte aber die Begründung. Vor acht Jahren hatte der Zweite Senat noch argumentiert: Indem sich die Kirche bei anderen, nicht katholischen Chefärzten zur Nachsicht entschloss, habe sie gezeigt, dass es einer "ausnahmslosen Durchsetzung ihrer sittlichen Ansprüche nicht immer" bedürfe. Diese Entscheidung hob jedoch das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2014 auf und schickte den Fall ans BAG zurück. Weil das Grundgesetz den Kirchen die Selbstverwaltung ihrer Angelegenheiten zugesteht, müsse es auch deren Einschätzung überlassen bleiben, wem sie kündigten und wem nicht, fanden die Verfassungsrichter.

Indem das BAG nun die Ungleichbehandlung mehrerer wiederverheirateter Chefärzte anführte, wandte es eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) an - um die es diesen 2016 selbst gebeten hatte. Darin erlaubte der EuGH eine Ungleichbehandlung nur in wenigen Ausnahmen. Es gab dem deutschen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz Priorität vor dem Recht der Kirchen, alle ihre Angelegenheiten selber zu entscheiden. Der Zweite Senat des BAG - diesmal in anderer Besetzung als vor acht Jahren - hofft offenbar, vor dem Bundesverfassungsgericht nun dadurch zu bestehen, dass er am Mittwoch auch vom "Anwendungsvorrang" des EU-Rechts sprach. Zudem berühre die EuGH-Entscheidung nicht die "Identität" des Grundgesetzes.

Ob der Fall jedoch überhaupt nochmals nach Karlsruhe kommt, ist fraglich. Dazu müsste die Kirche - in diesem Fall das Erzbistum Köln - Verfassungsbeschwerde einreichen. Dessen Sprecher Christoph Heckeley kündigte am Mittwoch aber nur eine "intensive Prüfung" an. Und er wies darauf hin, dass die Grundlage dieses Falls noch das frühere kirchliche Arbeitsrecht sei. Inzwischen sei es liberalisiert. "Der Kündigungssachverhalt wäre nach heute geltendem Kirchenrecht anders zu beurteilen", sagte er.

© SZ vom 21.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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