Kindesmissbrauch:Auf die Richter kommt es an

Die Bundesregierung baut in ihrem Gesetzentwurf allzu sehr auf den billigen Effekt. Doch es gibt auch sinnvolle Reformen: Gestärkt werden Mittel und Wege, Kinder vorbeugend zu schützen.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Vermutlich wird es als Kuriosum in die Geschichte der Gesetzgebung eingehen, dass die Bundesregierung den bisherigen "sexuellen Missbrauch von Kindern" in ihrem Gesetzentwurf in "sexualisierte Gewalt gegen Kinder" umtauft - und dann im Text beteuert, dass auch in Zukunft jegliche Form des Missbrauchs strafbar bleibt, auch ohne die Anwendung von Gewalt. Man könnte das als Ärgernis abtun, aber leider setzt der Entwurf auch in anderen Punkten auf den billigen Effekt.

So wird die Mindeststrafe für sexuellen Missbrauch auf ein Jahr angehoben. Den Gerichten nimmt das den Spielraum, auf leichtere Fälle zu reagieren. Für schwere Verbrechen bringt dies hingegen nichts, denn höchste Strafen sind schon bisher möglich. Nur zur Erinnerung: Zwei der Täter von Lügde sind zu 12 und 13 Jahren plus Sicherungsverwahrung verurteilt worden.

Erfreulich ist immerhin, dass der Entwurf weniger im Licht stehende Aspekte in den Blick nimmt, etwa die Qualifikation von Familienrichtern oder die Stärkung der Kinder vor Gericht durch Anhörungspflichten und Verfahrensbeistände. Denn es sind diese Verfahren, in denen sich Gefahren für Kinder frühzeitig erkennen lassen - wenn die Juristen auch Psychologie beherrschen. Wichtiger als jede Anhebung der Strafen ist daher die Richterfortbildung. Dort beginnt wirksamer Kinderschutz.

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