Katholische Kirche:Ein bisschen Revolution

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Im Schlusstext der Amazonas-Synode stehen Dinge, die noch nie in einem offiziellen Dokument der Kirche zu lesen waren. Zum Beispiel die Frage, ob Familienväter Priester werden dürfen.

Von Oliver Meiler, Vatikanstadt

Am Ende, nach drei Wochen der Beratungen, nach tausend Reden und Gebeten, Nachtschichten und intensiver Teamarbeit, wurde es dann doch noch hektisch im Vatikan. Für ordentliche Übersetzungen habe die Zeit nicht ausgereicht, räumte das Presseamt ein. Es gab dann nur rudimentäre Übertragungen aus dem Spanischen. Die Kopien waren noch warm, als sie verteilt wurden.

Die Sondersynode zum Amazonas, die am Samstagabend mit einer Serie von 120 Abstimmungen zu ebenso vielen Paragrafen aus dem Schlussdokument zu Ende ging, strahlt weit über die Region hinaus, für die sie einberufen worden war. Das zeigte sich auch am Interesse der Medien: Die große "Aula Johannes Paul II." im Pressesaal des Heiligen Stuhls war einmal wieder ganz voll. Es stand Richtungsweisendes an, vielleicht sogar Revolutionäres, gemessen an den Standards dieser jahrtausendealten Institution jedenfalls.

Das letzte Wort? Hat der Papst. Er kann Empfehlungen annehmen - aber er muss nicht

Die Synodenteilnehmer legen dem Papst nun im Schlusspapier einen Katalog von Vorschlägen vor, wie die katholische Kirche mit einem ganzheitlichen Ökologieverständnis dazu beitragen kann, die Zerstörung des Regenwalds zu stoppen und dabei die Rechte der indigenen Völker zu schützen. Und sie machen Vorschläge, wie die Kirche die Menschen auch in den entlegensten Gebieten mit ihrer spirituellen Offerte erreichen kann - nämlich im Ausnahmefall auch mit verheirateten Männern als Priester und womöglich bald auch einmal mit Diakoninnen. Das ist alles noch sehr vorsichtig und vage formuliert, besonders der Part zur Rolle der Frauen. Dennoch: In den fünf Kapiteln stehen Dinge, die man so in einem offiziellen Dokument der Kirche noch nie geschrieben gesehen hat.

Bindend ist daran allerdings noch nichts. Franziskus kann die Empfehlungen, die ihm unterbreitet werden, breit oder auch nur punktuell aufnehmen oder gar nicht. Seit es Synoden gibt, also seit 1965, legen Päpste im Normalfall nach einiger Zeit ein sogenanntes nachsynodales Schreiben vor. Das ist dann bindend.

Alle 120 Punkte des Schlussdokuments sind von den Synodenvätern genehmigt worden, und weil dafür jeweils eine Zweidrittelmehrheit nötig war und eben auch die stets polarisierenden Fragen zum Priesteramt und der Frauenrolle verhandelt wurden, galt das vor der Synode gar nicht mal als ausgemacht. Von den 185 geladenen Stimmberechtigten, allesamt Männer, die meisten von ihnen Bischöfe aus Lateinamerika, waren während der Abstimmungen 181 anwesend. Nötig waren deshalb jeweils mindestens 120 Placet, wie die Ja-Stimmen genannt werden.

Heikle Fragen: Dürfen Frauen Weiheämter bekleiden? Sind verheiratete Priester denkbar?

Völlig unproblematisch, so zeigen die einzelnen Ergebnisse, waren alle Punkte zum Schutz des Amazonas, dieser "Lunge des Planeten", wie Franziskus die Region nannte, und jene zum Schutz der bedrängten Urvölker. Die Synode ruft zu einer "Bekehrung" auf. Der kanadische Kurienkardinal Michael Czerny, Sondersekretär der Synode, sagte es so: "Bekehrung ist ein besonders starkes Wort für Wandel." Es sei zwar in Mode, über die Umwelt zu reden, "doch wir haben noch immer nicht verstanden, wie dringend die Lage tatsächlich ist."

Knapp fielen nur die Abstimmungen zu den Punkten 103 und 111 aus. 103 handelt von der Rolle der Frauen in der Kirche, der amazonischen im Speziellen. Dort sind Frauen bereits in vielen Diensten vertreten. Aber sollen sie auch ständige Diakoninnen sein, ein Weiheamt bekleiden dürfen?

Darüber sei lange und prominent diskutiert worden, heißt es jetzt. Doch am Ende scheuten sich die Synodenväter davor, eine klare Empfehlung abzugeben. Im Dokument steht nur, man warte auf die Ergebnisse einer Studienkommission, die der Papst vor drei Jahren zu dem Thema eingesetzt habe: Sie sucht nach Hinweisen, ob und in welcher Form es das Diakonat für Frauen schon in der Urkirche gegeben hat - und was sich davon unter Umständen in die Neuzeit übertragen ließe. Die Synodalen, zu denen auch dreißig Frauen gehörten, erbaten nun, ihre Erfahrungen und Überlegungen in dieser Kommission einbringen zu dürfen. Bei Punkt 103 gab es trotz dieser höchstens lauwarmen Forderung 30 Non Placet.

Noch kontroverser war erwartungsgemäß Paragraf 111. Zu der Passage über die Priesterweihe verheirateter Männer gab es 41 Gegenstimmen. Das Wort Viri probati (bewährte Männer) taucht in dem Dokument nicht auf. Viri probati nennt man gestandene und angesehene Familienväter, die für das Amt geeignet sein könnten. Es sorgte vor der Synode für heftige Debatten zwischen Progressiven und Konservativen. Letztere orten darin ein verstecktes Manöver, mit dem das Pflichtzölibat aufgelockert und schließlich aufgegeben werden solle.

"Natürlich ist das ein Reizthema, vor allem im Westen", sagte Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz. Doch von einem Ende des Zölibats sei nicht die Rede, das wolle niemand. Die Behauptung, bei dieser Synode sei es vor allem um den Zölibat gegangen, sei eine "Verdrehung" der Tatsachen.

Im Schlussdokument wird der Zölibat als "Gabe Gottes" beschrieben. Man bete dafür, dass es weiterhin viele Berufungen von Persönlichkeiten gebe, die das ehelose Priestertum leben. Wo das aber nicht so ist und die Eucharistie nur alle paar Monate, mancherorts sogar nur einmal im Jahr möglich sei, sollten neue Wege im Pastoral gefunden werden. Gemeint ist damit zunächst einmal nur der Amazonas. Bei besonders drängendem Priestermangel sollten nach Ansicht der Bischöfe bald auch verheiratete Diakone zu Priestern geweiht werden können. Es sei ein "Skandal", sagte Kardinal Marx, dass manche Gläubige unterbedient würden.

Als Kardinal Czerny gefragt wurde, wie lange jemand Diakon gewesen sein müsse, um Priester werden zu können, sagte er, das könne wohl auch kurz sein - vielleicht sogar fast gleichzeitig? Jeder Priester müsse aber "Diakon gewesen sein", schickte Czerny nach und lächelte. Über genaue Kriterien ließ sich die Synode nicht aus. Das ist etwas für den nachsynodalen Weg. Und für den Papst.

© SZ vom 28.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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