Katalonien:Versöhnliche Signale

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Im Konflikt um Katalonien bemühen sich Madrid und Barcelona um versöhnliche Signale. Regionalpräsident Puigdemont will vor dem spanischen Senat auftreten, auch die Zentralregierung bemüht sich um einen neuen Ton.

Von Thomas Urban, Barcelona

Linksorientierte Gruppierungen in Katalonien haben am Montag die Bevölkerung zum "passiven Widerstand" gegen die spanische Regierung aufgerufen, die die Absetzung der Regionalregierung in Barcelona betreibt. Auch eine Gruppe von Bürgermeistern und Gemeindevorstehern erklärte, sie werde sich Entscheidungen aus Madrid nicht beugen. Premierminister Mariano Rajoy hatte am Samstag die Anwendung des Artikels 155 der spanischen Verfassung angekündigt, der die Aussetzung der autonomen Rechte einer Region erlaubt, falls deren Regierung "gegen die Interessen Spaniens" handelt.

Das Kabinett von Regionalpräsident Carles Puigdemont, dem nun die Absetzung droht, hatte vor zwei Wochen die Ausrufung der Unabhängigkeit Kataloniens angekündigt, doch verbietet die Verfassung die Sezession einer Region vom Königreich Spanien. Am Montag kamen aber von beiden Regierungen auch Signale der Entspannung: Ein Sprecher Puigdemonts teilte mit, dass dieser an diesem Mittwoch in Madrid vor dem Ausschuss des Senats auftreten werde, der die Abstimmung über den Artikel 155 vorzubereiten hat. Laut der spanischen Verfassung hat der Senat, das Oberhaus des Parlaments, der Absetzung einer Regionalregierung zuzustimmen. In Madrid erklärte die stellvertretende spanische Premierministerin Soraya Sáenz de Santamaría, eine Vertraute Rajoys, dass das dem Senat vorgelegte Projekt zur Übernahme der Regierungsgewalt in Katalonien "angepasst" werden könne. Voraussetzung sei, dass das Parlament in Barcelona nicht einseitig die Unabhängigkeit ausrufe und Puigdemont bei der Ansetzung von Neuwahlen in der Region kooperiere.

Dieser hatte bislang die Ausrufung der Unabhängigkeit entgegen einem Beschluss des katalanischen Parlaments hinausgezögert. Nach Informationen aus seiner Umgebung hofft er immer noch, dass die EU in dem Konflikt zwischen Madrid und Barcelona vermittelt. Allerdings steht Brüssel offiziell auf dem Standpunkt, dass es sich beim Katalonien-Konflikt um eine interne Angelegenheit Spaniens handelt.

Bei Wahlen könnten die Verfechter der Unabhängigkeit laut Umfrage mit leichten Gewinnen rechnen

Wegen des Artikels 155 ist bei den oppositionellen Sozialisten (PSOE) ein Streit ausgebrochen. Rajoy führt in Madrid nur ein Minderheitskabinett, bislang hat er versucht, bei der PSOE, welche die zweitgrößte Fraktion stellt, Unterstützung für seinen Kurs gegen Barcelona zu finden. PSOE-Chef Pedro Sánchez hatte in der Tat die Unterstützung für die Anwendung des Artikels 155 zugesagt. Doch wurde er dafür nun von führenden Vertretern der eigenen Partei scharf kritisiert. Man könne der von Rajoy geführten konservativen Volkspartei (PP) keinen "Freischein" für das geplante Vorgehen gegen die Führung in Barcelona geben, die ja immerhin demokratisch legitimiert sei. Die katalanische Regionalorganisation der PSOE forderte Parteichef Sánchez auf, bei Rajoy auf einen Dialog mit der Führung in Barcelona zu dringen.

Nach einer Umfrage im Auftrag der in Barcelona erscheinenden Tageszeitung El Periódico würden die Verfechter der Unabhängigkeit bei vorgezogenen Regionalwahlen mit geringen Gewinnen rechnen können. Doch wie bei den Wahlen 2015 würden sie unter 50 Prozent bleiben, auch wenn sie erneut eine Mehrheit der Mandate bekämen. Allerdings wird in der katalanischen Presse spekuliert, ob die Parteien, die für die Unabhängigkeit eintreten, überhaupt zu den Wahlen zugelassen würden. Das Verfassungsgericht in Madrid hatte die Vorbereitung zur Sezession von Madrid als illegal bewertet.

© SZ vom 24.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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