Katalonien:Peitsche ohne Zuckerbrot

Die Zentralregierung in Madrid tut nichts, um das Problem zu entschärfen und für die Einheit Spaniens zu werben.

Von Thomas Urban

Katalonien sorgt für fast ein Viertel der spanischen Wirtschaftsleistung. Es ist also verständlich, dass die Zentralregierung in Madrid die Abspaltung der Region von Spanien verhindern möchte. Dass der konservative Premier Mariano Rajoy aber hier etwas sehr falsch macht, zeigt ein Blick auf das Regionalparlament in Barcelona: 2010 waren ganze 14 der 135 Abgeordneten für ein souveränes Katalonien. Nun haben 72 für das Referendum über die Unabhängigkeit am 1. Oktober gestimmt.

Nach der spanischen Verfassung ist dieses Gesetz illegal. Doch selbst wenn das Referendum nun verboten würde, wäre das Problem nicht gelöst. Denn bei den nächsten Regionalwahlen dürften die Verfechter der Sezession einen Erdrutschsieg feiern. Madrid aber fällt nichts anderes ein, als die Forderung der Katalanen nach einem demokratischen Votum über ihre Zukunft als "Anschlag auf die Demokratie" zu diffamieren. Rajoy hat bislang in keiner Weise für die Einheit Spaniens geworben und auch keine Kompromisse gesucht, sondern sich ganz auf die Justiz verlassen, die die Unabhängigkeitsaktivisten mit Geldstrafen überzieht.

Wohlgemerkt: Die katalanische Regierungskoalition besteht nicht aus Extremisten, sondern aus gemäßigten Pro-Europäern. Wie der Streit auch ausgeht, eines dürfte sicher sein: Die Beziehungen zwischen Madrid und Barcelona werden lange vergiftet bleiben.

© SZ vom 08.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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