Schon in den vergangenen Tagen ist offensichtlich geworden, dass sich durch das Lager der Verfechter einer katalanischen Unabhängigkeit tiefe Risse ziehen. Die Stimmen mehrten sich, die in vorgezogenen Wahlen in der Region den einzigen Weg zur Entschärfung des Konflikts mit Madrid sehen. Doch Regionalpräsident Carles Puigdemont verschließt sich weiter der Einsicht, dass sich sein Lebensprojekt, eine unabhängige Republik Katalonien, nicht verwirklichen lässt, wenn sich weniger als 40 Prozent seiner Landsleute dafür starkmachen. Zu den Kardinalfehlern der Führung in Barcelona gehört es, keinen Plan B für den Fall zu haben, dass sie mit ihrer naiven Forderung, der Sezession vom Königreich Spanien, erfolglos bleiben. Nun dürfte es unausweichlich geworden sein, dass Madrid die Kontrolle über die Region nimmt.
Die spanische Führung unter Mariano Rajoy sollte sich angesichts ihres bevorstehenden Siegs in diesem Kräftemessen jegliche Geste des Triumphs sparen und eine versöhnliche Sprache finden. Es ist in hohem Maße die Schuld des sturen Rajoy, dass es zu der Eskalation der vergangenen Wochen gekommen ist. In Madrid muss man sich Gedanken machen, wie man wenigstens einen Teil jener 40 Prozent der Katalanen, die auf die Unabhängigkeit hofften, wieder für die Einheit Spaniens gewinnen kann. Dazu gehört mehr als der Verweis auf die Verfassung.