Karlsruher Ermittlungen:1000 Mal Terror-Verdacht - ein beunruhigender Rekord

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Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe notierte dieser Tage den beunruhigenden Rekord, wie die SZ erfuhr. (Foto: dpa)

Die Zahl der Terror-Ermittlungsverfahren hat 2017 erstmals die Höchstmarke von 1000 erreicht. Das zeigt, wie stark die Behörden sensibilisiert sind.

Von Ronen Steinke, Berlin

Die Zahl der Terror-Ermittlungsverfahren hat in diesem Jahr erstmals die Höchstmarke von 1000 erreicht. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe notierte dieser Tage den beunruhigenden Rekord, wie die SZ erfuhr. Der extreme Anstieg - 2014 waren es nur 117 neu eingeleitete Ermittlungen, 2015 ungefähr 150, 2016 knapp 250 - hat zum einen mit der Vielzahl von Hinweisen zu tun, die etwa aus Flüchtlingswohnheimen kommen, so heißt es. Zum anderen zeigt sich, wie stark die Ermittlungsbehörden sensibilisiert sind. Nicht aus jeder Ermittlung wird später ein Prozess. Aber alles wird gemeldet.

Die Folge: Unter dem gestiegenen Druck gibt die Bundesanwaltschaft immer mehr dieser Fälle an die Länder ab, in diesem Jahr schon 400; das kam früher nur selten vor. "Wir bearbeiten heute Verfahren, bei denen der Generalbundesanwalt früher niemals daran gedacht hätte, sie abzugeben", sagte jüngst der Stuttgarter Generalstaatsanwalt Achim Brauneisen. Wie die Länder mit dieser Flut von Fällen umgehen wollen, soll nun nach Informationen der SZ im Mittelpunkt eines Treffens aller Generalstaatsanwälte stehen, die vom 13. bis 15. November zusammenkommen.

Nordrhein-Westfalen hat in diesem Jahr schon knapp 80 Fälle übernommen

Bayern hat schon vor einem Jahr alle Terror-Fälle, die man von Karlsruhe übernimmt, zentral bei der Generalstaatsanwaltschaft München in einer Spezialeinheit gebündelt. Aber Bayerns Arbeit ist vergleichsweise überschaubar, Bayern hat mit weit weniger Fällen zu tun als die beiden Bundesländer, in denen die Hochburgen der salafistischen Szene liegen, Nordrhein-Westfalen und Berlin.

Die Hälfte aller islamistischen "Gefährder" im Bundesgebiet konzentrieren sich dort, und Nordrhein-Westfalens Justiz hat in diesem Jahr schon knapp 80 Fälle vom Generalbundesanwalt übernehmen müssen, das ist die größte Anzahl. Sollen all diese Fälle künftig aus einer Hand beim Generalstaatsanwalt in Düsseldorf geführt werden, in enger Nachbarschaft zur Politik und zu den Staatsschutz-Richtern am Oberlandesgericht?

Oder soll die Zentralisierung sogar noch weiter getrieben werden, ganz nach dem Vorbild Bayerns, wo neben den von Karlsruhe kommenden Ermittlungen gegen terroristische Vereinigungen auch noch jene gegen Einzeltäter ("Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat") zusammengezogen wurden, die bislang überall dezentral laufen? Niedersachsen ist schon dem bayerischen Weg gefolgt. Hessen, wo in diesem Jahr mehr als 60 Terror-Ermittlungen aus Karlsruhe übernommen wurden, verstärkt lieber die hergebrachten Strukturen. In Nordrhein-Westfalen wird zumindest diskutiert, es wie in Bayern zu halten und alle Terror-Ermittlungen in eine Hand in Düsseldorf zu legen.

© SZ vom 07.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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