Karlsruhe:Eine Frage der Neutralität

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Im Rechtsstreit um seine Kritik an der AfD droht Horst Seehofer eine Niederlage. Es könnte ihm gehen wie Ex- Bildungsministerin Wanka.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Vor zwei Jahren hat die AfD vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgreich gegen eine AfD-kritische Äußerung der damaligen Ministerin Johanna Wanka geklagt. Nun dürfte ihr dies auch mit einer Klage gegen Bundesinnenminister Horst Seehofer gelingen. Darauf deuteten in einer Anhörung in Karlsruhe an diesem Dienstag die Fragen der Richter hin. Die Partei hatte Organklage gegen ein dpa-Interview vom September 2018 erhoben. Darin hatte sich der Minister vor den Bundespräsidenten gestellt, den die AfD wegen seiner Unterstützung eines Chemnitzer Open-Air-Konzerts angegriffen hatte. "Die stellen sich gegen diesen Staat. Da können sie tausend Mal sagen, sie sind Demokraten", sagte Seehofer. "Das ist für unseren Staat hochgefährlich. Das muss man scharf verurteilen. Ich kann mich nicht im Bundestag hinstellen und wie auf dem Jahrmarkt den Bundespräsidenten abkanzeln. Das ist staatszersetzend."

Ein Minister habe doch auch andere Verbreitungskanäle, sagt der Verfassungsrichter Voßkuhle

Weil der Text auf der offiziellen Homepage des Ministeriums veröffentlicht worden war, sieht der juristische Vertreter der AfD, Ulrich Vosgerau, das Recht auf Chancengleichheit verletzt. Demokratie könne nur funktionieren, wenn gleiche Wettbewerbsbedingungen herrschten. Er berief sich auf das Wanka-Urteil, wonach Regierungsmitglieder zu Neutralität verpflichtet sind, wenn sie ihre Amtsautorität in Anspruch nehmen - zum Beispiel dann, wenn sie Texte unter Einsatz der Ressourcen des Ministeriums verbreiten. Günter Krings, Parlamentarischer Staatssekretär im Innenministerium, verteidigte den Vorgang. "Ein Interview ist eben keine amtliche Verlautbarung wie eine Presseerklärung." Seehofer habe auf eine "Entgleisung" der AfD reagiert. "Die AfD hat verbal zugespitzt. Der Ton ist wesentlich rauer geworden." Seehofers juristischer Bevollmächtigter Klaus Ferdinand Gärditz warnte davor, Minister zu "Berufsbeamten" zu degradieren, indem man ihnen solche Äußerungen untersage.

Vor allem Peter Müller, im Gericht federführend für das Verfahren zuständig, wies immer wieder darauf hin, dass Seehofer das Interview - das er ausdrücklich als Minister geführt habe - nun mal auf der Ministeriumsseite veröffentlicht habe. "Geht das dann nicht mit ihm heim?" Richterin Christine Langenfeld fügte hinzu, dass es ein sehr einfaches Mittel der Trennung gebe: "Äußerungen, die dem politischen Meinungskampf dienen, sollen nicht mit amtlicher Autorität versehen werden." Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle merkte an, für einen Minister gebe es doch zahlreiche andere Kanäle, um seine Äußerungen zu verbreiten.

Derweil plant die AfD weitere Klagen. Der AfD-Bundesvorstand hat nach Angaben eines Sprechers beschlossen, Bundeskanzlerin Angela Merkel wegen "Nötigung" anzuzeigen und eine Unterlassungserklärung zu fordern - weil sie die Wahl von Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten Thüringens als "unverzeihlich" bezeichnet hatte. Dies sei ein klarer Fall von Amtsmissbrauch, sagte Parteichef Jörg Meuthen.

© SZ vom 12.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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