Kanada:Glückwunsch mit Grenzen

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Das liberal regierte Kanada macht sich auf politischen Druck vom großen Nachbarn gefasst. Streit dürfte es in den Bereichen Handel, Klimaschutz und Verteidigung geben.

Von Frank Nienhuysen, München

Snoop Dogg wusste gleich, wohin es ihn zog. "Mein neues Zuhause", schrieb der US-Rapper nach Trumps Sieg und veröffentlichte dazu ein Foto vom Ontariosee in Toronto, samt CN Tower, dessen Spitze sich ins abendliche Gewölk bohrt. Kanada als nahe liegenden Fluchtort hatten auch andere Amerikaner im Sinn, denn die Webseite der Einwanderungsbehörde brach in der Nacht auf Mittwoch vor Überlastung zusammen. Dabei könnte sich auch beim US-Nachbarn im Norden einiges ändern, und wie viele Kanadier finden, durchaus zu ihrem Nachteil.

Der liberale Regierungschef Justin Trudeau hat es sich bei seinen überaus freundlichen Glückwünschen an Donald Trump mit keiner Nuance anmerken lassen, dass er ganz auf Hillary Clinton gehofft hatte. Denn sein Liberalismus steht den Ansichten Trumps deutlich entgegen: Kanada heißt etwa muslimische Flüchtlinge aus Syrien ausdrücklich willkommen; mehrere Zehntausend Menschen aus der Kriegsregion hat Kanada bereits aufgenommen. So viel Großzügigkeit des Nachbarn dürfte Trump suspekt sein und könnte zu einer Verschärfung des Grenzregimes führen.

Die erste Auslandsreise eines neuen US-Präsidenten führt traditionell nach Ottawa, weshalb Kanada bei einem anderen strittigen Thema, dem Freihandel, am Donnerstag schon mal eine Geste an den Wahlsieger schickte. Die Regierung zeigte sich bereit, über das Freihandelsabkommen Nafta neu zu verhandeln. Ottawa hält offenbar frühe Korrekturen für klüger, als den Vertrag ganz aufs Spiel zu setzen, den der protektionistische Trump als den "schlechtesten Deal der Geschichte" kritisiert hatte. Das rohstoffreiche Kanada ist auf Exporte stark angewiesen, und die USA sind nun mal wichtigster Handelspartner. Nach Trumps Wahlsieg forderten manche bereits, die Wirtschaft nun globaler auszurichten - das Ceta-Abkommen mit der EU dürfte dabei behilflich sein.

Kaum gefallen wird Kanada auch Trumps Auffassung, dass Umweltschutz eher Fesseln als Chancen für die US-Industrie bedeute. Mit der Obama-Regierung liegt Ottawa beim Schutz der Atmosphäre auf einer Linie, eine Wende in Washington würde die Treibhausgase auch im Nachbarland wieder erhöhen.

Mehr Geld muss das Nato-Land künftig für sein Militär ausgeben, denn das war ja Trumps Drohung: Wer seinen Beitrag nicht leiste, dem würden die USA im Bedarfsfall womöglich nicht beistehen. Schwer vorstellbar im Falle Kanadas. Doch aus dem sanften Druck Obamas, die Militärausgaben von ein auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen, dürfte unter Trump ein scharfer werden.

Profitieren könnte Kanada allerdings auch: Da Trump sich um Umweltbedenken nicht schert, will er das von Obama abgelehnte Pipelineprojekt Keystone XL vorantreiben. Durch die Röhre soll mehr Rohöl von Kanada in die USA gepumpt werden.

Streit gab es im Übrigen schon öfter, wenn in Kanada ein Liberaler und in den USA ein Republikaner regierten. "Verdammt Elliott, was willst du von mir", soll Ronald Reagan einmal geraunzt haben. Gemeint war Premier Elliott Trudeau, der Vater des jetzigen.

© SZ vom 11.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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