Kampf gegen Rechtsextreme:Wo der V-Mann sein Unwesen treibt

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V-Männer gelten in Deutschland als Allzwecklösung bei der Verbrechensbekämpfung. Das ist falsch, denn die "Vertrauenspersonen" sind häufig zwielichtige Typen. Spitzel sind oft Wichtigtuer, die für viel Geld wenig liefern. Entscheidend ist diese Einsicht beim Verbotsverfahren gegen die NPD.

Heribert Prantl

Sie gilt als Wundermittel, aber sie ist es nicht. Bei der Aufklärung der Drogenkriminalität und bei der Beobachtung der rechtsextremen Szene setzen Polizei und Verfassungsschutz auf die V-Person. Die V-Person ist ein Informant, der zur kriminellen oder extremistischen Szene gehört, aber für Geld Informationen liefert.

Die V-Person gehört zur kriminellen oder extremistischen Szene und soll für Geld Informationen liefern - oft schafft das nur mehr Probleme. (Foto: ddp)

Das "V" steht eigentlich für Vertrauen. Aber die "Vertrauensperson" ist in Wahrheit eine Person, der man nicht trauen kann. V-Leute sind allzu oft Wichtigtuer, die für viel Geld das nicht liefern, was man von ihnen erwartet. Die V-Leute in der Neonazi-Szene zeigen das deutlich. Offenbar hat keiner einen Hinweis auf die untergetauchten Neonazi-Mörder geliefert; offenbar hat keiner die Behörden auf die Spur gesetzt. Das V-Leute-Wesen, das ein Unwesen geworden ist, wiegt den Staat im Glauben, alles im Griff zu haben. Aber das stimmt nicht. Es gibt nicht wenige Beispiele dafür, dass V-Leute erst die Gefahren produzieren, die man mit ihnen eigentlich bekämpfen will; V-Leute schaffen häufig mehr Probleme als sie lösen.

Die bekanntesten V-Leute der vergangenen Jahrzehnte waren Ulrich Schmücker und Peter Urbach. Urbach spielte eine bis heute nicht geklärte Rolle bei der Entstehung der Roten Armee Fraktion (RAF), er besorgte die Bombe für einen Anschlag auf das jüdische Gemeindehaus in Berlin. Schmücker wurde im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit ermordet; der nachfolgende Prozess offenbarte eine Abfolge von unglaublichen Fehlleistungen von Verfassungsschutz und Polizei, die wohl nur durch das Desaster bei der Fahndung nach den Neonazi-Mördern übertroffen wird. Wenn (zu viele) V-Leute im Spiel sind, besteht immer die Gefahr, dass der Staat sich gemein macht mit den Methoden, die in dem zu bekämpfenden Milieu praktiziert werden.

Der Staat hat sich mit den V-Leuten geschadet

Der Verfassungsschutz hat den vielen Neonazi-V-Leuten sehr viel Geld bezahlt. Er hat auf diese Weise den Aufbau der NPD in diversen Bundesländern mitfinanziert. Er hat Rockkonzerte der NPD bezuschusst, in denen die Neonazi-Morde besungen wurden. Der Staat war viel zu exzessiv beim Einsatz von V-Leuten. Der Schaden war und ist größer als der Nutzen. Das V-Leute-Unwesen ist ein Karzinom im Organismus des Rechtsstaats geworden.

Man muss die V-Leute in der NPD abschalten. Man muss damit aufhören - unter dem Mantel, ihn zu bekämpfen - Neonazismus zu finanzieren. Wenn ein NPD-Verbot Erfolg haben soll, ist das ohnehin geboten. Die Lauterkeit des rechtsstaatlichen Handelns gebietet das auch. Das V-Leute-Wesen verfremdet den Rechtsstaat. Es ist dies ein unguter V-Effekt. Es ist klüger und erfolgversprechender, verdeckte Ermittler einzusetzen - also Beamte der Polizei und des Verfassungsschutzes, die unter einer Legende arbeiten. Bei der Bekämpfung des Neonazismus muss der klassische Verfassungsschutz eine wichtige Rolle spielen. Es gibt aber einen mindestens so wichtigen weiteren Verfassungsschutz; der heißt Zivilgesellschaft.

© SZ vom 21.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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