Jungwähler 2013:Deutschlands C-Jugend

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Eine junge Frau füllt in Berlin ihren Stimmzettel aus (Foto: dpa)

Auch bei den unter 30-Jährigen ist die Union die stärkste Partei. Seit 2009 erobert Angela Merkel die junge Generation nach und nach zurück. Sollten wir über den Erfolg der C-Parteien verblüfft sein? Nicht unbedingt, sagt der Jugendforscher Mathias Albert.

Das soll konservativ sein? Das Bild, das die unter 30-Jährigen in Deutschland abgeben, wirkt eher wie die glatte Antithese zum traditionellen und von den C-Parteien vertretenen Ideal.

Die Jungen heiraten immer seltener, wenn überhaupt, dann tun sie es später. Sie binden sich auch an Parteien nur noch ungern, sie gehen seltener in die Kirche. Und sie bekommen weniger Kinder als ihre Vorgänger in früheren Generationen. Dennoch: Wenn es ans Wählen geht, dann machen die meisten von ihnen ihr Kreuz bei der Union, wie die Beobachter der Forschungsgruppe Wahlen nach der Bundestagswahl an diesem Sonntag erstaunt notieren.

35 Prozent der Jungwähler stimmten für CDU/CSU. Das ist weniger als in der Gesamtbevölkerung, dort hat die Union 41,5 Prozent der Stimmen bekommen. In den anderen Altersklassen sind CDU und CSU deutlich stärker. Doch die Union kann dieses Ergebnis dennoch als Erfolg verbuchen: Sie ist nicht nur stärkste Kraft im Lager der Jungwähler, sondern konnte bei ihnen im Vergleich zur letzten Bundestagswahl 2009 sogar zehn Prozentpunkte dazugewinnen. Die SPD kann sich in dieser Altersgruppe zwar ebenfalls über gewachsenen Zuspruch freuen (24 statt 17 Prozent bei der letzten Wahl), wird von der Union aber weiter deutlich auf Abstand gehalten.

Historische Trendumkehr

Historisch betrachtet kehrt sich damit seit 2009 ein Trend um, der 1969 begann: Damals landete die Union in dieser Altersgruppe erstmals hinter der SPD. Die Jungwähler tendierten nach links. So weit, dass die beiden Volksparteien selbst in den konservativ geprägten Kohl-Jahren Kopf an Kopf lagen - und das trotz neuer Akteure im linken Spektrum wie den Grünen und später der PDS/Linken, die der SPD Konkurrenz machten. Und Gerhard Schröder sammelte seine Stimmen nicht zuletzt bei den Wählern zwischen 18 und 25.

Wie kommt es also, dass in der Ära Merkel die C-Parteien auch bei den Jungwählern wieder beliebt sind? Oft ist ja vom Ende der Volksparteien die Rede und die Auswahl an Kleinstparteien mit Spezialinteressen ist riesig - was eigentlich zur Patchwork-Ideologie vieler unter 30-Jähriger gut passen würde.

Der Bielefelder Politikwissenschaftler Mathias Albert, der auch die Shell-Jugendstudie leitet, erklärt die Ergebnisse so: Die Zeit der politischen Kulturkämpfe ist vorbei, und so richtig konservativ waren weder die vergangenen Regierungsjahre Angela Merkels noch ihr Wahlkampf. Unter Merkel sei die einstige Altherrenpartei den Jungen entgegengekommen.

Jugendthemen fehlten

Hinzu kommt: Ein wirklich jugendspezifisches Thema habe es in diesem Wahlkampf nicht gegeben - schließlich spielt die Studiengebührendebatte allein auf Länderebene, auch herrscht bei Themen wie Wehrpflicht und Atomausstieg längst Einigkeit unter den Parteien. Auf der anderen Seite waren aber ausgerechnet die Jungen besonders gut ansprechbar für das, was die Union im Wahlkampf als ihre Kernthese in den Mittelpunkt stellte.

"Keine Experimente", ließ Angela Merkel in den letzten Wahlkampftagen plakatieren wie einst Konrad Adenauer: Die Kanzlerin präsentierte sich als erfahrene Beschützerin der Deutschen vor den Verwerfungen und Gefahren der Weltwirtschaft, was gerade bei jungen Wählern einen Nerv getroffen haben könnte, glaubt Mathias Albert. "Den Jugendlichen und Berufsanfängern in Deutschland geht es im Vergleich zu denen in Spanien oder Griechenland nicht so schlecht - deshalb hat diese Botschaft bei ihnen verfangen", sagt der Forscher zu Süddeutsche.de.

Auch könnte der stark personalisierte Wahlkampf der Union - zugeschnitten auf die Kanzlerin - gerade Parteienverdrossene angesprochen haben. Und von ihnen gibt es unter den Jungen viele: Wenn man Jugendliche befragt, welche Partei ihrer Ansicht nach die Probleme am besten meistern könne, dann ist Verlass darauf, dass eine Antwortmöglichkeit am besten abschneidet - meist mit mehr als einem Viertel der Stimmen, Tendenz sogar steigend: "Keine Partei". Wem Parteien suspekt sind, glaubt der Forscher Mathias Albert, ist möglicherweise für einen überparteilichen, präsidentiellen Stil besonders empfänglich. Wie den Stil Merkels.

Ältere Wähler haben höheren Einfluss

Noch etwas unterscheidet allerdings die Generation der heute unter 30-Jährigen von ihren Vorgängern: Ihre Stimme fällt bei Wahlen so wenig ins Gewicht wie noch nie. Das Durchschnittsalter der Wahlberechtigten hat sich, von ihnen aus gesehen, von Bundestagswahl zu Bundestagswahl immer weiter entfernt. Die Gruppe der über 60-Jährigen wiegt längst deutlich schwerer.

Was allerdings ebenfalls mit dem Verhalten dieser Altersgruppen zu tun hat: Die Jungwähler beteiligen sich nur unterdurchschnittlich an Wahlen. Die Älteren verschaffen sich da mehr Gehör - durch eine höhere Wahlbeteiligung.

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