Jubiläum:Jetzt ist Ruhe!

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Vor 1700 Jahren wurde der Sonntag als arbeitsfrei erklärt.

Von Benedikt Peters

Gewerkschaften und Kirchen können sich traditionell eher wenig füreinander erwärmen. Als Beleg müsste man nicht einmal den alten Karl Marx hervorzerren ("Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt ..."); nein, ein Rückblick in die vergangene Woche würde reichen. Da beerdigte die katholische Caritas den bundesweiten Tarifvertrag für die Altenpflege und damit das Herzensprojekt der Arbeitskämpfer von Verdi. "Traurig", "schlimm", "scheinheilig" sei das, gifteten die Gewerkschafter, die Stimmung hätte nicht schlechter sein können.

Wie gut ist es da, dass an diesem Mittwoch ein Jubiläum ansteht. Jubiläumsfeiern haben ja seit jeher die Fähigkeit, auch die tiefsten Gräben zuzuschütten - man trinkt zwei Gläschen, hält Sonntagsreden, und in der Rückschau ist alles dann meist nicht mehr so schlimm. Sonntagsreden passen in diesem Fall besonders gut, auch wenn sie an einem Mittwoch gehalten werden. Denn es geht um eben jenen Tag, welcher der Überlieferung nach vor exakt 1700 Jahren zu dem gemacht wurde, was er heute ist: Am 3. März des Jahres 321 soll der römische Kaiser Konstantin den Sonntag für arbeitsfrei erklärt haben - für "alle Richter und Einwohner der Städte, auch die Arbeiter aller Künste". Das Edikt des Kaisers gilt als die Geburtsstunde des staatlich geschützten Ruhetags - und liefert Kirchen und Gewerkschaften damit einen gemeinsamen Anlass zum Feiern. Sie tun das natürlich coronakonform, mit Diskussionen und Festreden, die im Internet übertragen werden.

Trotz Jubiläums ist die Feierstimmung getrübt

Die Feierstimmung ist allerdings etwas getrübt, und den Grund kann schon erahnen, wer den Inhalt des kaiserlichen Edikts genauer betrachtet. Schon vor 1700 Jahren lohnte sich offenbar die Lektüre des Kleingedruckten. Konstantin verfügte Ausnahmen, etwa für dringende landwirtschaftliche Arbeiten. Auch die Sklaven konnten sich kaum auf die Sonntagsruhe berufen. Die späteren Zeitläufte sind zwar reich an Gestalten, die sich ebenfalls dem Kampf für den arbeitsfreien Sonntag verschrieben: Der bayerische Herzog Odilo drohte im achten Jahrhundert mit Kerker, "wenn ein freier Mann am Sonntag knechtliche Arbeit verrichtet"; Luther empfahl, sich am Tag des Herrn "auszuruhen und zu erquicken". Es lauerten aber stets auch Unholde, die der Sonntagsruhe zu Leibe rückten, seien es die Industriebarone des 19. Jahrhunderts oder, ein wenig später, die FDP.

Manche Arbeiten dürfen auch aus Sicht der Kirchen und Gewerkschaften am Sonntag verrichtet werden, gegen Feuerwehrleute und Ärztinnen etwa haben sie nichts, nicht einmal gegen geöffnete Cafés und Museen. Sehr wohl aber sind sie gegen den Vorschlag, den die Liberalen unlängst einbrachten: Die FDP will dem in der Pandemie gebeutelten Einzelhandel mehr verkaufsoffene Sonntage bescheren, sobald die Inzidenzen es zulassen. Der Schutz der Sonntagsruhe im Grundgesetz soll dafür gelockert werden.

Aus Sicht der Kirchen und Gewerkschafter bräuchte es weniger Liberale und mehr Menschen vom Schlage Eric Liddells. Der schottische Leichtathlet sollte 1924 im 100-Meter-Lauf bei den Olympischen Spielen in Paris antreten, er galt als einer der Favoriten für den Sieg. Doch Liddell, ein frommer Protestant, weigerte sich: Das Rennen fand an einem Sonntag statt.

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